Skandal
Emily summte noch ein paar Takte des Walzers. »Weißt du, Simon, es ist ganz seltsam, aber ich scheine heute abend außerstande zu sein, wieder ruhig zu werden. Ich bin immer noch ganz aufgeregt.«
»Du solltest eigentlich erschöpft sein.« Simon lehnte sich an seinen schwarzlackierten Schreibtisch. Er hatte sein Jackett bereits ausgezogen und sein Halstuch gelöst. Der weiße Seidenschal hing ihm jetzt lose vom Hals.
»Ich weiß, aber ich bin kein bißchen müde.« Emily trank einen Schluck Cognac. Ihr Blick fiel auf das nächstgelegene der großen
Kissen mit den Troddeln. »Simon, sag mir eins, hast du diese Kissen aus irgendeinem türkischen Harem?«
»Nein. Ich habe sie hier in London anfertigen lassen, das ist alles.« Er trank einen Schluck von seinem Cognac. »Gefallen sie dir?«
»Sie sind einfach prachtvoll.« Emily stellte ihr Glas ab und warf sich der Länge nach auf das nächstbeste goldene Satinkissen. Sie ließ sich zurücksinken und rekelte sich in einer Haltung, die sie für lasziv und sinnlich hielt und von der sie annahm, eine Haremsdame hätte sie eingenommen. »Wie sehe ich aus? Könnte man mich für eine anziehende Kurtisane aus dem Osten halten?«
Simons Blick glitt langsam von der Spitze ihres smaragdgrünen Satinslippers, der mit Drachen bestickt war, zu der Kaskade roter Locken auf ihrem Kopf. »Es könnte sein«, räumte er schließlich ein.
»Du scheinst nicht überzeugt zu sein. Vielleicht beeinträchtigt die Brille die Wirkung.« Sie setzte sie ab und legte sie auf das Lacktischchen, das ihr am nächsten stand. Dann lehnte sie sich wieder auf dem Kissen zurück und bedachte ihn mit einem anrüchigen Blick durch gesenkte Wimpern. Simon war am anderen Ende des Raumes ein großer, dunkler, verschwommener Umriß. »Ist es so besser?«
»Ich glaube, das wirkt schon etwas authentischer.«
Emily streckte sich auf der Seite aus. Die Röcke ihres Kleides schoben sich an ihrem Bein nach oben und gaben den Blick auf ihre Strümpfe frei. Sie schürzte die Lippen und probierte sich am Schmollmund einer Haremsdame. »So. Wie ist es damit?«
»Emily, solltest du zufällig im Begriff sein, mit mir zu flirten?« fragte Simon liebevoll.
»Tja, also, was das angeht...« Es half nichts, seinen Gesichtsausdruck deutlich erkennen zu können. Emily spürte, wie die Wärme in ihre Wangen aufstieg, als sie der Frage sorgsam nachging. »Ja, ich glaube schon, daß ich das tue.« Sie hielt den Atem an.
»Du bist heute abend ziemlich ungewöhnlich aufgelegt, oder nicht?«
»Ich bin glücklich, Simon«, sagte sie und machte eine Handbewegung, die die ganze Welt einschloß. »Ich komme mir vor, als schwebte ich. Ich habe den aufregendsten und wunderbarsten Abend meines ganzen Lebens verbracht.«
»Und jetzt willst du ihn damit beschließen, dich von mir lieben zu lassen?«
Emily seufzte und ließ sich auf den Rücken plumpsen. Die Hände streckte sie hoch über den Kopf. Sie betrachtete versonnen die verschwommene Decke. »Ich habe es dir doch gesagt, Simon. Ich bin ein Geschöpf von überschwenglichen Leidenschaften. Vielleicht ist mein Feingefühl von all der Aufregung heute abend übermäßig stimuliert worden.«
»Das wäre eine Möglichkeit.«
»Simon?«
»Ja, Emily?«
Sie holte tief Atem. »Du hast mir gesagt, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hätte ich den Dreh nicht ganz rausgehabt.«
»Ich habe dir gesagt, du bräuchtest Übung, wenn ich mich recht erinnere«, murmelte er.
Sie wälzte sich wieder auf die Seite und stützte sich auf einen Ellbogen. »Ja. Übung. Ich glaube, heute nacht würde ich sehr gern üben.«
Es entstand eine kurze Pause. Dann ertönte Simons Stimme, tief, dunkel und seidig vor sinnlicher Bedrohung. »Ich habe dir auch noch etwas anderes gesagt, Emily.«
Emily setzte sich auf dem Kissen auf und zog die Knie ans Kinn, so daß ihre Röcke um ihre Zehen fluteten. Sie tastete nach dem Cognacglas. Als sie es gefunden hatte, trank sie einen großen Schluck und stellte das Glas behutsam wieder auf den Tisch. Dann schlang sie sich die Arme um die angezogenen Knie.
»Du hast mir gesagt, ich würde dich anflehen müssen, mich zu lieben«, sagte Emily und preßte ihre Knie eng an ihren Körper.
»Ich werde mich damit begnügen, mich nett und freundlich von dir bitten zu lassen. Die Sache ist die, meine Liebe, daß ich mir morgen früh keine Vorwürfe anzuhören wünsche. Du sollst nicht sagen können, ich hätte dich überlistet.«
»Das werde ich nicht sagen,
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