Skandal
errötete. Was er auch sonst sein mochte - Ashbrook war ein Dichter, der veröffentlicht wurde, und sie hatte nie auch nur eine einzige Zeile veröffentlicht. »Wohl kaum«, murmelte sie.
»Wie nennst du dieses Epos?«
»Die Geheimnisvolle Dame.«
»Das klingt vielversprechend«, räumte Ashbrook nachdenklich ein.
Emily schaute eilig auf und hob ihr Lorgnon, weil sie seinen Gesichtsausdruck genauer erkennen wollte. »Findest du das wirklich?«
»Ganz entschieden.« Ashbrook unterbrach sich vorsätzlich und legte eine kunstvolle Pause ein. »Ein ausgezeichneter Titel. Sehr passend für Leute von der Sorte, die solche Sachen kaufen. Weißt du, Emily, ich könnte mir deine Arbeit einmal ansehen und mir einen Eindruck darüber verschaffen, ob sie tatsächlich vielversprechend ist. Wenn ja, dann würde ich dich mit Freuden Whittenstall vorstellen, meinem Verleger.«
»Richard!« Emily war perplex über das großzügige Angebot. »Ist das dein Ernst?«
»Aber selbstverständlich doch.« Ashbrook lächelte mit ungezwungener Zuversicht. »Ein Wort von mir würde sicher hilfreich sein, um Whittenstalls Aufmerksamkeit zu erregen, denke ich mir.«
»Richard, das wäre wirklich sehr, sehr nett von dir. Ich kann einfach nicht glauben, daß mir das passiert. Ich werde mich augenblicklich wieder an die Arbeit machen und mir Die Geheimnisvolle Dame vornehmen müssen. Ich habe mir überlegt, ob ich einen Geist und einen Geheimgang in die Handlung einbauen soll. Was meinst du dazu?«
»Geister und Geheimgänge sind immer sehr beliebt. Ich habe sie gelegentlich auch schon verwendet.«
»Bisher habe ich noch niemandem gestattet, Die Geheimnisvolle Dame zu lesen. Ich muß noch einiges an Arbeit hineinstecken, ehe ich es dir zeigen kann.« Emily erinnerte sich an all die Veränderungen, die sie an dem Gedicht noch vornehmen wollte, an alles, was sie noch hinzufügen oder korrigieren wollte. »Aber ich werde sofort damit anfangen, Richard. Das ist ja so aufregend. Ich kann dir gar nicht sagen, wieviel mir dein Angebot bedeutet. Dein Vorhaben, mich deinem eigenen Verleger vorzustellen, übersteigt einfach alles.«
»Mir scheint, das bin ich einer alten Freundin schuldig.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, Richard.«
Er zog eine Schulter zu einem lässigen Achselzucken hoch. »Du brauchst mir nicht zu danken. Aber wenn du es für notwendig erachtest, kannst du mir damit danken, daß du dich einem kleinen Literarischen Zirkel anschließt, der an den Donnerstagnachmittagen zusammentrifft.«
Emily war fasziniert. »Ein echter Londoner Literarischer Salon? Das würde mir die allergrößte Freude machen. Ich vermisse jetzt schon meine Treffen mit dem Literarischen Zirkel von Little Dippington am Donnerstagnachmittag.« Plötzliches Unbehagen versetzte ihr einen Stich. »Aber glaubst du denn, daß deine literarischen Freunde mich dort aufnehmen wollen? Sie sind wahrscheinlich bei weitem belesener und unendlich viel kultivierter als ich. Wahrscheinlich werde ich ihnen wie eine ungehobelte Landpomeranze erscheinen.«
»Keineswegs«, murmelte Ashbrook. »Ich versichere dir, daß
Lady Turnbull und meine anderen Freunde dich willkommen heißen werden. Sie werden dich zweifellos sehr... charmant finden.«
Emily seufzte beseligt. »Das übersteigt fast die Grenzen meines Fassungsvermögens. Mein erster bedeutender Ball, eine Einladung in einen Literarischen Salon und die Gelegenheit, daß sich ein echter Verleger meine Texte ansieht. Das Stadtleben ist wirklich bei weitem aufregender als das Leben auf dem Lande.«
»Ja«, sagte Ashbrook. »Das kann man wohl sagen. Und als verheiratete Frau«, fügte er leise hinzu, »wirst du feststellen, daß du hier in London in den Genuß von viel mehr Freiheiten kommst, als du sie je hattest. Die einzige Regel, meine Liebe, an die man sich in der Stadt halten muß, ist Diskretion.«
»Ja, ja selbstverständlich.« Emily bereitete das Problem der Diskretion schon allein deshalb nicht die geringsten Sorgen, weil sie keinerlei Indiskretionen plante, und schon gar nicht mit diesem Mann, der sie so teilnahmslos ruiniert hatte. Eine Frau, die mit einem Mann wie Blade verheiratet war, konnte unmöglich auch nur das geringste Interesse an einer so seichten Gestalt wie Ashbrook haben.
Emily zog nachdenklich die Stirn in Falten. »Richard, findest du wirklich, daß ich einen guten Titel gewählt habe? Ich bin nicht abgeneigt, ihn zu ändern, wenn du glaubst, das könnte mein Werk für einen
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