Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
»Der Schuft! Er hat beim Spiel und mit leichten Weibern sein ganzes Vermögen durchgebracht. Es wird überall erzählt, er schuldet so viel Geld, dass er - adelig hin oder her - gute Chancen hat, ins Schuldgefängnis geworfen zu werden.« Er drohte ihr spielerisch mit dem Finger. »Alle Welt weiß, dass er verzweifelt auf der Suche nach einer reichen Frau ist. Ich habe gerade erst von Lord Vinton erfahren, dass er sogar versucht hat, die Arnett-Erbin zu entführen. Es heißt, ihr Vater habe sie gerade noch rechtzeitig eingeholt, ehe etwas passiert sei. Sei du daher nur vorsichtig in seiner Nähe. Wenn du nicht aufpasst, könntest du dich in derselben Lage wiederfinden.« Er bewegte seinen Finger nachdrücklicher, erklärte heftig: »Ich bin nicht blind, weißt du. Ich habe ihn im letzten Monat um dich herumscharwenzeln sehen. Meint vermutlich, dein Vermögen würde ihm gut zu Gesicht stehen. Merk dir meine Worte, Kleines, er macht dich dabei bettelarm, um sich von
seinen Schulden zu befreien.« Seine Erregung ließ nach, und er fragte besorgt: »Du ziehst so eine Verbindung doch nicht ernsthaft in Erwägung?«
Nell schaute ihn aus lachenden Augen an. »Papa! Als würde ich das tun! Natürlich würde ich nie daran denken, mich an so einen Kerl wegzuwerfen. Ich weiß um seinen Ruf - sogar den Klatsch um die Arnett-Erbin habe ich gehört - und ich versichere dir, dass ich in seiner Nähe sehr vorsichtig sein werde. Wenn ich heiraten wollte, dann nicht so ein armseliges Geschöpf wie Tynedale.«
Sir Edward entspannte sich, und ein Lächeln zuckte um seine Lippen. »Du solltest deinen armen alten Vater nicht so aufziehen, Liebes«, schalt er. »Du könntest mich damit eher ins Grab schicken, als uns allen lieb wäre.«
Nell machte ein abfälliges Geräusch. Sie stand auf und küsste ihn auf die Glatze, dann ging sie zur Tür, wobei sie ihm über die Schulter zuwarf: »Papa, du machst dir zu viele Sorgen unsertwegen. Robert wird irgendwann demnächst heiraten, und ich bin sicher, dass die Zwillinge sich nicht wesentlich länger Zeit lassen. Du wirst deine ersehnten Enkelkinder bekommen, ehe noch viele Jahre ins Land gezogen sind. Warte es nur ab.«
Auf der anderen Seite der Stadt und ein paar Stunden später im prächtigen Stadthaus des Earls of Wyndham fand eine ganz ähnliche Unterhaltung statt. Der gegenwärtige Lord Wyndham, der zehnte in der Reihe der Titelinhaber, wollte, nachdem er eine unglückliche Ehe zum Wohle seines Titels und seiner Familie hinter sich hatte, auf keinen Fall eine weitere eingehen. Gleichgültig, wie viele Tränen flossen und Szenen von seiner jungen Stiefmutter zu diesem Zweck inszeniert wurden.
Über den Tisch mit den verstreuten Überresten ihres Frühstücks hinweg schaute er ihr in die tränenglitzernden Augen und bemerkte: »Jetzt lass mich einmal sehen, ob ich dich richtig verstanden habe. Du willst, dass ich deine Patentochter heirate, weil sie im Falle meines Todes, vorausgesetzt, dass sie mir schon einen Erben präsentiert hat, sicherstellen würde, dass deine Zukunft gesichert ist?«
Die Countess Wyndham, die viel zu jung aussah, um seine Stiefmutter zu sein, betrachtete ihn verstimmt. Sie war ein reizendes kleines Ding mit sprechenden samtbraunen Augen und bezaubernden dunklen Löckchen, die ein ebenso bezauberndes Gesicht einrahmten. Mit ihren fünfunddreißig Jahren war sie außerdem drei Jahre jünger als ihr Stiefsohn.
»Ich verstehe nicht«, erwiderte sie, »warum du in diesem Ton mit mir sprichst. Ist meine Stellung so schwer zu begreifen? Wenn du ohne einen Erben stirbst, wird dein Cousin Charles in deine Fußstapfen treten oder, genauer gesagt, springen. Du weißt sehr gut, dass er mich und mein geliebtes Kind ohne zu zögern hinauswerfen würde.«
»Ich dachte immer, du magst Charles«, entgegnete Lord Wyndham mit Unschuldsmiene, allerdings funkelten seine Augen belustigt.
»Ich mag Charles recht gern«, räumte sie ein. »Er kann sehr unterhaltsam sein, aber er ist ein Wüstling, so wild. Und erst seine Weibergeschichten! Du weißt sehr wohl, dass, wenn Charles erbt, er ganz gewiss nicht Elizabeth oder mich hier haben will. Du weißt, dass er uns vor die Tür setzen würde.«
Lord Wyndham grinste. »Ja, er würde dich höchstwahrscheinlich hinauswerfen, meinetwegen auch auf die Straße, von wo du und Elizabeth euch aber sogleich eure Kutsche
rufen lassen würdet, um euch ins Dower House auf Wyndham zu bringen.«
Ihre zierlichen Finger schlossen sich
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