Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
bekommen, was er verdient. Er hätte mich nicht so rasch abschreiben sollen.«
»Wenn ich ihm seine Freiheit nicht so vorschnell angeboten hätte, und du dich dann nicht auf dem Land vergraben und als meine Gastgeberin fungiert hättest, wärest du Herzogin, eine tonangebende Dame der Gesellschaft«, erklärte er und beobachtete sie genau.
Nell rümpfte die Nase. »Und vollkommen gelangweilt und elend. Ich bin nur froh, dass du ihm seine Freiheit angeboten hast - und dass er darauf eingegangen ist. Wenn ihm so wenig an mir lag, dass er sich so ohne Weiteres meiner entledigen konnte, bin ich ohne ihn wesentlich besser dran.« Sie tätschelte ihm den Arm. »Papa, ich habe dir wieder und wieder gesagt, dass ich mit meinem Leben, so wie es ist, glücklich und zufrieden bin. Ich mag das Landleben. Ich weiß, dass ich mit dir nach London gehen kann, wann immer ich will - aber ich möchte lieber auf Meadowlea bleiben.« Als er widersprechen wollte, legte sie ihm einen Finger auf die Lippen. »Und nein, ich bleibe nicht dort, weil ich Angst habe, hier zufällig Bethune oder seine Frau zu treffen, oder sonst jemanden, was das angeht.« Ihr Gesicht wurde weicher. »Es ist vor einem Jahrzehnt geschehen; ich bin sicher, dass sich nur noch wenige Leute daran erinnern, dass ich einmal mit ihm verlobt war. Ich trauere ihm nicht nach, und du solltest das auch nicht.« Sie grinste ihn an. »Es sei denn, du verzehrst dich nach einem bedeutenden Adelstitel für deine Tochter.«
»Sei nicht albern. Du weißt, dass meine erste Sorge dir und deinem Glück gilt. Ein Titel kann mir gestohlen bleiben.« Er sah wehmütig aus. »Obwohl ich gerne zugebe, dass ich stolz auf die Verlobung war. Aber ob Titel oder nicht, ich würde einfach nur gerne alle meine Kinder verheiratet sehen und mit
eigenen Familien.« Er seufzte. »Ich will ehrlich sein, Nell, es verwundert mich, dass keiner von euch bislang geheiratet hat. Robert ist mein Erbe - er sollte mittlerweile unter der Haube sein und einen Stall voll Kinder haben. Ich würde so gerne ein Enkelkind auf meinen Knien schaukeln, ehe ich sterbe. Was die Zwillinge betrifft … ich hätte gedacht, dass wenigstens einer von ihnen inzwischen geheiratet hätte.«
Nell wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Dass sie eine alte Jungfer war, nahm sie als gegeben. Von Anfang an hatte sie gewusst, dass es trotz ihres Vermögens nur wenige Männer gäbe, die eine verkrüppelte Frau wollten. Es war heute nicht weiter wichtig, dass ihr Hinken bei Weitem nicht mehr so offensichtlich war wie in den ersten paar Jahren nach dem Unfall; das Stigma haftete ihr dennoch an. Und dann war da noch die Tatsache, dass es mindestens eine Zeit lang in der guten Gesellschaft allgemein bekannt gewesen war, dass sie wenigstens eine Weile, nun, merkwürdig gewesen war, nachdem sie ihr Bewusstsein zurückerlangt hatte. Kein Gentleman von Stand würde eine Frau haben wollen, die vielleicht einmal ein Fall für Bedlam würde, das Heim für Irre. Ihre Augen wurden hart. Sie hatte Bethune diese hartnäckigen Gerüchte zu verdanken. Er hatte sichergehen wollen, dass noch nicht einmal der Schatten einer Schuld wegen der Auflösung der Verlobung auf ihn fiel. Daher hatten er und seine Familie dafür gesorgt, dass ihr Geisteszustand wesentlich schlimmer dargestellt wurde, als er in Wahrheit war. Eingebildeter Mistkerl.
Von der Sorge ihres Vaters berührt, ließ sie sich auf den Stuhl neben ihn sinken und beugte sich vor, erklärte ernst: »Papa, du weißt, dass ich nicht heiraten will. Wir haben es schon oft besprochen - und nein, es liegt nicht daran, dass Bethune mir das Herz gebrochen hat. Ich habe nur einfach
keinen Gentleman getroffen, der mein Interesse geweckt hätte.« Sie lächelte. »Mit meinem Vermögen besteht für mich keine Notwendigkeit zu heiraten. Selbst wenn du eines Tages nicht mehr da sein solltest, was, wie ich bete, erst in vielen, vielen Jahren sein wird, werde ich wohl versorgt sein. Du musst dir meinetwegen keine Sorgen machen.«
»Aber es ist unnatürlich, wenn du unverheiratet bleibst«, wandte er ein. »Du bist eine schöne junge Frau und außerdem reich, wie du selbst gerade gesagt hast. Und auch wenn wir keinen großartigen Titel haben, ist unsere Ahnenreihe doch so stolz und ansehnlich, wie man es sich nur wünschen kann.«
Nell ließ den Blick sinken und setzte eine sittsame Miene auf, erklärte gedehnt: »Nun, da ist natürlich noch Lord Tynedale …«
Sir Edward schnappte entsetzt nach Luft.
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