Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
krampfhaft um den Griff der Teetasse. »Ja, sicher, es stimmt, dass wir dort leben könnten … auf dem Land vergraben, in einem Haus, das seit Jahrzehnten leer steht und dringend in Stand gesetzt werden müsste. Und es stimmt auch, dass dein lieber, seliger Vater mir bei unserer Hochzeit eine schöne Summe übereignet hat.« Sie beugte sich vor. »Aber begreifst du denn nicht, Julian, dass es hier nicht nur um Geld geht? Du musst doch auch berücksichtigen, dass es nicht Charles sein könnte, der erbt - vergiss nicht, dass er erst letzten Sommer beim Untergang seiner Yacht nur knapp mit dem Leben davongekommen ist. Und letzten Monat war da dann dieser schreckliche Unfall mit seinen Pferden. Mit seiner draufgängerischen und waghalsigen Art liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass Charles vor dir stirbt und dann am Ende Raoul alles erbt.«
Sie wirkte nachdenklich. »Ich mag Sophie Weston, aber du musst zugeben, dass Raouls Mutter eine willensstarke Frau ist. Wenn Raoul erben sollte, würde sie dafür sorgen, dass er keine Zeit verschwendet und heiratet. Und einer Sache kannst du dir sicher sein: Seine Frau wird eine kleine graue Maus sein, die vollkommen unter Mrs. Westons Fuchtel steht. Mrs. Weston wird in jeder Beziehung außer dem Namen Countess Wyndham sein - und nicht mein sanftmütiges, liebes Patenkind Georgette. Wenn Charles oder Raoul erben, wird es mir vermutlich nie wieder vergönnt sein, meinen Fuß in diese Hallen zu setzen.«
Sie barg ihr Gesicht in einem spitzenbesetzten Tüchlein. »Eben jene Hallen«, erklärte sie mit erstickter Stimme, »in die mich dein lieber, lieber Vater vor fünf Jahren als Braut brachte. Wie anders alles wäre, wenn dir etwas zustieße, du
aber mit Georgette verheiratet wärest. Sie würde dafür sorgen, dass ich stets willkommen wäre. Und Elizabeth auch. Wenn sie nicht mit diesem schrecklichen Captain Carver durchbrennt und ihn heiratet.« Sie spähte über den Spitzenrand ihres Taschentuchs. »Du weißt schon, den Captain der Kavallerie, der herumläuft und so romantisch und schneidig aussieht mit seinem Arm in der schwarzen Schlinge. Himmel, und ich glaube sogar, dass er sie in Wahrheit gar nicht braucht. Er trägt sie vermutlich nur, um mein geliebtes Kind zu beeindrucken.«
Julian seufzte. Dianas konfusen Gedankengängen zu folgen erschöpfte unter normalen Umständen schon sehr schnell seinen Geduldsvorrat, aber heute Morgen schienen ihre Überlegungen noch sprunghafter und wirrer als sonst. Er betrachtete sie, ihre kurvenreiche, aber zierliche Gestalt und die feinen Züge, und er konnte wenigstens teilweise verstehen, weswegen sein Vater so von ihr eingenommen gewesen war. Allerdings lag darin der entscheidende Unterschied zwischen ihm und seinem Vater; er hätte eine diskrete Affäre mit der jungen Witwe genossen und sie nicht geheiratet. Er seufzte erneut. Nicht, dass er seinem Vater einen Vorwurf machte. Julians Mutter war vor über zwanzig Jahren gestorben, und sein Vater war ungefähr zwölf Jahre allein gewesen, von dem gelegentlichen Zusammensein mit einem leichten Frauenzimmer einmal abgesehen, ehe die reizende kleine Witwe Diana Forest sein Interesse geweckt hatte.
Die gute Gesellschaft war verblüfft gewesen, als der neunte Earl of Wyndham aus heiterem Himmel die mittellose Witwe eines Leutnants der Infanterie geehelicht hatte. Sie war nicht nur arm und jünger als sein einziges Kind, sie brachte selbst auch noch ein Kind mit in die Verbindung, ihre zwölfjährige Tochter Elizabeth.
Aber die seltsame Ehe hatte funktioniert, und, so machte sich Julian bewusst, Diana hatte seinen Vater glücklich gemacht. Sehr sogar. Sein Vater hatte sie angebetet und Elizabeth verwöhnt, war sogar so weit gegangen, eine ordentliche Summe für seine junge Stieftochter anzulegen, damit sie nicht ohne eigenes Vermögen war. Es war zu schlimm, dass er im zweiten Jahr der Ehe verstorben war, vor drei Jahren, sodass auf seinem Sohn die Sorge für eine Stiefmutter und eine Stiefschwester lastete. Nicht dass Elizabeth viel Mühe machte. Sie besaß ein sonniges Gemüt und war entgegenkommend, und außerdem verehrte sie ihn. Und Julian hatte entschieden eine Schwäche für seine angeheiratete Schwester. Natürlich auch für Diana - wenn sie nicht seine Geduld auf die Probe stellte.
Aus früheren Erfahrungen wusste er, dass Diana nun an dem Dreh- und Angelpunkt ihrer Diskussion angekommen war, daher fragte er: »Willst du, dass ich mit jemandem von den Horse Guards
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