Skelett
Taschentuch vor den Mund.
»Dann bin ich gelandet, habe einen Lastwagen in meine Gewalt gebracht, den Fahrer mit Chloroform betäubt und mit dem Laster eine Art Straßensperre errichtet. Danach habe ich mich hinter einem Baum versteckt und gewartet. Bis dahin ging noch alles glatt.«
»Was soll das heißen?«
»Irgendwann kam dann Tweed mit der Frau«, erzählte Charmian hastig weiter. »Sie waren auf dem Rückweg von Abbey Grange.«
»Keine Ortsbezeichnung am Telefon!«, herrschte M ihn an.
»Als Tweed an den Lastwagen kam, musste er langsamer fahren, aber gerade als ich abdrücke, gibt er wieder Gas. Ich habe ihn um Haaresbreite verfehlt.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie die Sache vermasselt haben?«
Vermasselt? Obwohl Charmian das Wort unbekannt war, konnte er dem Tonfall nach leicht auf dessen Bedeutung schließen. Es war wohl besser, wenn er nichts darauf erwiderte.
»Ihr Auftrag lautet, Tweed zu töten«, zischte die Stimme aus dem Telefonhörer. »Holen Sie das so schnell wie möglich nach, oder Sie können sich den zweiten Teil Ihres Honorars ins Haar schmieren.«
Dann war die Leitung tot. Charmian stieß einen herzhaften Fluch auf Französisch aus. M hatte sich äußerst unzufrieden angehört. Offenbar machte es seinem Auftraggeber große Sorgen, dass Tweed schon jetzt zu viel herausgefunden haben könnte. Seine Reaktion auf die Erwähnung von Abbey Grange war der beste Beweis dafür.
11
Tweed fand es besser, noch eine Weile in dem Café an der Straße zu bleiben. Außer ihnen gab es keine weiteren Gäste in dem erstaunlich gut eingerichteten Lokal. Tweed entschied sich für einen Tisch am hinteren Ende, wo sie mit dem Rücken zur Wand sitzen konnten.
Eine Bedienung mit makellos sauberer Schürze nahm ihre Bestellung entgegen. Paula deutete auf die üppigen Cremeschnitten an der Theke. Normalerweise aß sie nichts Süßes, aber auf den Schrecken hin brauchte sie unbedingt etwas Zucker. Dazu wählten beide schwarzen Kaffee.
»Wir werden hier eine Weile warten«, erklärte Tweed nach ein paar Minuten. »Möglicherweise lauert uns derjenige, der für diesen Hinterhalt verantwortlich war, auf dem Weg nach London noch einmal auf. Wenn wir uns länger nicht sehen lassen, glaubt er vielleicht, dass wir nach Guildford oder in eine andere Richtung abgebogen sind.« Er machte eine Pause, um seinen Kaffee zu kosten. »Schmeckt sehr gut.«
»Die hier auch«, sagte Paula, nachdem sie ihre Cremeschnitte probiert hatte. »Die Sahne ist ganz frisch. Wollen Sie kosten?«
»Nein danke.«
»Ich frage mich, wie es mit diesem grässlichen Fall wohl weitergehen wird. In Abbey Grange habe ich mich gewundert, wo dieser Drago Volkanian bloß steckt.«
»Das ist eine der Fragen, die mir möglicherweise Lucinda beantworten kann«, sagte Tweed nachdenklich.
Als sie aus dem Café traten, kam gerade die Sonne hinter den Wolken hervor und tauchte die Landschaft mit ihren braunen Feldern und kahlen Bäumen in ein helles Licht.
Nach zwanzig Minuten hatten sie die riesige Gantia-Anlage erreicht. Sie mussten feststellen, dass das Gittertor an der Einfahrt geschlossen war. Tweed stieg aus und ging zu der in einem der Torpfosten eingelassenen Gegensprechanlage. Als er zurückkam, lächelte er zufrieden. Kurze Zeit später schwang das Tor automatisch auf.
»Stellen Sie sich vor«, sagte Tweed zu Paula, während er den Wagen auf das Betriebsgelände steuerte, »als ich dem Wachmann meinen Namen nannte, meinte er, Miss Voles habe ihn bereits davon unterrichtet, dass ich heute vielleicht noch vorbeischauen würde.«
»Scheint ja eine umsichtige junge Dame zu sein«, sagte Paula und sah sich staunend um.
Sie fuhren durch eine gepflegte Gartenanlage, die sie irgendwie an Hampton Court erinnerte, auf einen architektonisch äußerst ansprechenden Bau zu. Sauber gestutzte Nadelbäumchen und in Form von Kugeln oder Vögeln geschnittene Buchsbäume säumten die Auffahrt. Volkanian, fand Paula, schien auf vielen Gebieten ein Perfektionist zu sein.
Tweed stellte den Wagen vor einer weißen Steintreppe ab. Zusammen mit Paula ging er hinauf zum Haupteingang des großen Gebäudes. Ein uniformierter Wachmann öffnete ihnen die Tür und legte zum Gruß die Hand an die Mütze.
»Willkommen bei Gantia«, sagte der Mann zu Tweed. »Wir erwarten Miss Voles jeden Moment zurück. Ach, da kommt sie ja schon.«
Von hinten hörte Paula den dröhnenden Motor eines PS-starken Wagens, und als sie sich umdrehte, sah sie, wie ein roter Porsche in
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