Skelett
aus den anderen Zahlen schließen kann, muss der Umsatz dieser Firma jedoch sehr viel höher als 400 Millionen sein. Genaueres kann ich Ihnen aber erst später sagen, wenn ich alles genau durchgesehen habe.« Er warf Paula, die sich inzwischen an ihren Schreibtisch gesetzt hatte, einen fragenden Blick zu. »Dann also morgen um sieben Uhr im Ivy, abgemacht?«
»Abgemacht. Es kann allerdings sein, dass ich mich etwas verspäte.«
»Frauen kommen doch immer zu spät.« Er lächelte. »Zumindest kluge Frauen wie Sie.«
Nachdem Kent gegangen war, trat Harry Butler an Tweeds Schreibtisch. Er hielt den Pilotenkoffer in der Hand, in dem er seine Werkzeuge zum Schlösserknacken aufbewahrte. Der große, kräftig gebaute Butler trug ausgewaschene Jeans und eine alte Windjacke.
»Paula hat mir beim Hereinkommen zugeflüstert, dass Sie einen Spezialauftrag für mich haben. Von mir aus kann es sofort losgehen.«
»Es geht da um ein Monstrum von einem amerikanischen Kühlschrank, bei dem sich die Tür nicht mehr öffnen lässt«, sagte Tweed. »Und dann wäre da noch ein kleiner Schrank mit zwei Sicherheitsschlössern, in den ich ebenfalls gern einen Blick geworfen hätte. Warten Sie, ich fahre Sie selbst zu dem Ort, wo sich die beiden Möbel befinden.« Er wandte sich an Newman. »Bob, bitte halten Sie hier die Stellung, solange ich fort bin.«
»Ich komme auch mit«, sagte Paula in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
Die Yelland Street lag so ruhig da wie schon bei ihrem letzten Besuch. Als Tweed am Straßenrand einparkte, holte Paula ihre Kamera aus der Tasche.
»Ich werde drinnen das Bild von Christine abfotografieren, dann können wir es Anne auf dem Heimweg gleich wieder zurückgeben. Sie wird das bestimmt zu schätzen wissen.«
Während Tweed sich mit Butler in die im hinteren Teil des Hauses gelegene Küche begab, ging Paula ins Wohnzimmer. Dort stellte sie das Bild auf das Klavier und machte mit ihrer Spezialkamera drei Aufnahmen davon, bevor sie sich zu den beiden Männern gesellte.
»Das sind zwei verdammt gute Schlösser«, lautete Butlers Kommentar, während er mit einem seiner filigranen Dietriche in einem davon herumstocherte. Nachdem er diese Prozedur auch beim zweiten Schloss erledigt hatte, trat er einen Schritt zurück und winkte Paula herbei.
Vorsichtig öffnete Paula die Tür und blickte in den Schrank hinein. Die Fächer waren voll verderblicher Lebensmittel, von denen einige schon einen strengen Geruch verströmten. Wie es aussah, handelte es sich um Sachen, die normalerweise im Kühlschrank aufbewahrt wurden. Der Anblick ließ Paula Schlimmes ahnen.
»Die Kühlschranktür klemmt überhaupt nicht«, rief Butler hinter ihr. »Man muss nur den Griff erst nach unten drücken, bevor man daran zieht.«
Auch hier ließ er Paula den Vortritt. Sie wischte sich die feuchten Hände an ihrer Jeans ab, streifte sich Latexhandschuhe über und streckte dann eine Hand nach dem Griff aus. Wie Butler gesagt hatte, drückte sie den Griff zunächst nach unten. Sie atmete tief durch und zog dann daran. Kaum hatte sie die schwere Metalltür einen Spalt weit geöffnet, strömte ein unverwechselbarer, süßlicher Geruch in die Küche.
»O mein Gott!«, stieß Paula hervor. »Bitte nicht!«
Sie starrte in das Gesicht von Christine Barton. Man hatte ihr den Hals von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt, und der Kopf lag jetzt abgetrennt auf dem einzigen noch im Kühlschrank verbliebenen Ablagebrett. Jemand hatte die Frau regelrecht geschlachtet. Große Fleischstücke des Rumpfes waren in Plastiktüten in den Kühlschrank gestopft worden.
»Grundgütiger!«, rief Butler.
Tweed schob Paula beiseite und schloss die Kühlschranktür. Ein grässlicher Verwesungsgeruch verpestete die Küche. Tweed packte Paula am Arm.
»Zurück ins Wohnzimmer. Harry, schließen Sie die Küchentür hinter uns.«
Im Wohnzimmer ließ Paula sich in einen der Sessel fallen und schnappte heftig nach Luft.
Tweed streckte ihr die geöffnete Hand hin. »Ihr Handy, bitte«, sagte er. »Ich möchte Buchanan anrufen. Hoffentlich kann er Professor Saafeld gleich mitbringen. Wie jeder gute Pathologe untersucht er eine Leiche am liebsten, solange sie noch nicht bewegt wurde.«
»Ich … äh …«, stammelte Paula. »Ich sollte vielleicht zuerst Anne anrufen.«
»Das hat noch Zeit. Es ist grauenvoll, aber Anne wird ihre Schwester identifizieren müssen.«
13
Bis Tweed eine Stunde später allein in die Park Crescent zurückfuhr, war
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