Skelett
Boot machte, bemerkte Paula, dass sich draußen an der Hafenmole große, vom Meer hereinlaufende Wellen brachen.
»Das Wetter scheint umzuschlagen«, sagte sie.
»Stimmt«, sagte Cardon, der seinen Rundgang inzwischen beendet hatte. »Die letzten Tage war es ungewöhnlich heiß für diese Jahreszeit. Die Erfahrung lehrt, dass dann draußen auf dem Meer ein ziemlich starker Wind weht. Richten Sie sich also schon mal darauf ein, dass Sie kräftig durchgeschaukelt werden.«
»Wo ist eigentlich Tweed?«, fragte Paula.
»Unten in seiner Kajüte. Es ist die erste rechts, wenn Sie den Niedergang hinuntersteigen.«
Paula ging nach unten zu Tweed, der auf einer Koje hockte und nicht gerade ein glückliches Gesicht machte. Als sie die Kajüte betrat und die Tür hinter sich schloss, zwang er sich zu einem Lächeln.
»Das kann ja heiter werden«, lautete sein säuerlicher Kommentar. »Dieses Ding tanzt ja schon hier im Hafen wie eine Nussschale auf und ab.«
»Draußen auf offener See wird es bestimmt noch schlimmer werden.«
»Vielen Dank.«
Da Paula ihren Chef kannte, hatte sie in ihrer Umhängetasche immer Tabletten gegen Seekrankheit dabei. Jetzt holte sie eine davon aus dem Röhrchen und reichte sie ihm.
»Da, schlucken Sie die«, sagte sie mit strenger Stimme und drückte Tweed eine Flasche Mineralwasser in die Hand.
»Ist es nicht peinlich, dass mir schon im Hafen schlecht wird?«
»Erstens sind Sie nicht der einzige Mensch auf Gottes weiter Flur, der unter Seekrankheit leidet, und zweitens kriegt es außer mir doch niemand mit. Und jetzt runter mit der Tablette!«, befahl sie. »Cardon kann jede Minute ablegen.«
Seufzend fügte Tweed sich in sein Schicksal und schluckte die Tablette mit reichlich Mineralwasser hinunter.
»Na also«, sagte Paula und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Und jetzt ruhen Sie sich einen Augenblick aus, während ich mir das Boot mal genauer ansehe.«
Der Rest des Teams hatte es sich in dem geräumigen Salon gemütlich gemacht, und alle waren mit irgendetwas beschäftigt. Marler lud gerade sein Armalite-Gewehr, das er in der Golftasche transportiert hatte, Butler putzte seine Maschinenpistole, und Nield prüfte, ob sich die Glock-Pistole, die Marler ihm in Paris besorgt hatte, gut in den Hosenbund stecken ließ.
»Hallo, Paula«, sagte Butler und legte die Maschinenpistole beiseite, bevor er etwas aus seiner Ledertasche holte und es ihr reichte. »Ich habe hier ein Ei für Sie, das Ihnen vielleicht noch gute Dienste erweisen wird.«
Bei dem »Ei« handelte es sich um eine Handgranate, die Paula vorsichtig begutachtete und dann in ihre Umhängetasche schob. Während ihrer letzten Trainingseinheit hatte der neue Ausbilder mit ihr intensiv das Handgranatenwerfen exerziert.
»Wieso sind Sie eigentlich nicht mit uns zu dem Aussichtspunkt gefahren, Pete?«, fragte sie Nield.
»Tweed hatte mich gebeten, im Hotel zu bleiben und die Stellung zu halten. Nur für den Fall, dass jemand sich Zutritt zu unseren Zimmern verschaffen wollte.«
»Ich wusste gar nicht, dass Tweed so nervös ist.«
»Er ist nicht nervös«, erwiderte Nield. »Nur vorsichtig, wie immer. Könnte ja sein, dass jemand in einem der Zimmer eine Bombe deponiert hat.«
»Tweed denkt doch wirklich an alles.«
»Wenn er das nicht tun würde, wäre er schon längst nicht mehr am Leben.«
Als der Schiffsdiesel angelassen wurde, beschloss Paula, wieder nach Tweed zu sehen. Er lief mit um den Oberkörper geschlungenen Armen unruhig in seiner Kajüte hin und her.
»Na, kommen Sie mit auf die Brücke?«, fragte sie ihn.
»Sieht ganz so aus, als würden wir gleich auslaufen.«
Als sie oben ankamen, sahen sie, wie Butler auf dem Steg gerade die Taue löste, mit denen das Boot festgemacht war. Nachdem Butler wieder an Bord gesprungen war, legte Cardon ab und steuerte auf die Hafenausfahrt zu. Aus einer aufklappbaren Sitzbank neben dem Steuerrad holte er zwei gelbe Öljacken und reichte sie Tweed und Paula.
»Wenn Sie hier oben bleiben wollen, ziehen Sie am besten diese Dinger an«, sagte er. »Weiter draußen könnte es ein bisschen nass werden.«
Paula schlüpfte in die Jacke und war auch gleich froh, das getan zu haben. Kaum hatten sie den Hafen verlassen, wurden die Wellen nämlich merklich höher, und wenn sie gegen den Bug der Capulet klatschten, spritzte der Gischt bis hinauf zur Brücke. Tweed, der an der Reling lehnte und hinaus aufs Meer blickte, nahm seine Hornbrille ab und verstaute sie in der
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