Skin Game: Gefährliche Berührung (German Edition)
hören wollte. Bei ihrem ersten Halt aßen sie etwas, gingen zur Toilette und tankten, dann stoppten sie noch einmal, um sich einiges zum Anziehen zu kaufen, bevor Kyra weitere vier Stunden lang fuhr.
Als sie schließlich zum Übernachten Halt machten, war es bereits spät geworden. Anhand einer Reklametafel neben der Interstate, die mit flackernder Beleuchtung Zimmer ab 29,95 Dollar bewarb, wählte Kyra ein billiges Motel aus. Die Farbe des Gebäudes war ursprünglich vielleicht einmal Terracotta gewesen und durch die Sonne zu einem hellen Pfirsichton verblasst, welcher zudem Schmutzstreifen bekommen hatte.
Der Mann an der Rezeption musste geschätzt um die Hundert sein und war verdammt schwerhörig. Kyra brüllte ihre Frage nach einem Zimmer ganze drei Mal, ehe er sie verstand. Aus purem Trotz trug sie sich mit schwungvoller Handschrift als Rachel Justice ins Gästebuch ein. Von diesem Moment an sollte sich ihre Spur bis nach Vegas verfolgen lassen. Die ganze Geschichte ging so oder so ihrem Ende entgegen. Also Schluss mit dem Verstecken und Weglaufen.
Kyra nahm die Schlüsselkarte entgegen und ließ Reyes allein zurechtkommen. Mein Gott, wie demütigend. Die ganze Zeit über hatte sie ihre Beute mit ihm geteilt, ihm gezeigt, wie man so eine Nummer aufzog – als ob er das nötig gehabt hätte. Profikiller verdienten ein Schweinegeld, sodass ihn die paar Kröten, die sie in den Kneipen gemacht hatte, überhaupt nicht interessierten. Alles, was er gesagt – und was sie gefühlt hatte – , war darauf angelegt gewesen, ihr Vertrauen zu gewinnen, damit sie das Geldversteck ausplauderte. Wäre sie nicht so auf der Hut gewesen, hätte sie jetzt eine Kugel im Kopf.
Kyra straffte die Schultern, als sie das düstere, staubige Büro verließ. Sie hinkte und musste langsam gehen, weil ihr Bein schmerzte, aber es war auszuhalten. Schließlich stand Mias Leben auf dem Spiel, da konnte sie auf das Bein keine Rücksicht nehmen.
Der Gehweg hatte Risse und war holperig, sodass sie darauf achtete, wo sie hintrat. Die Rezeption des zweistöckigen Motels befand sich in der Mitte eines U-förmigen Gebäudekomplexes mit Loggia vor den oberen Zimmern. Im Innenhof gab es einen ungepflegten Swimmingpool, in dem jede Menge Laub trieb. In der trüben Beleuchtung glänzte das Wasser ölig schwarz. Das Becken hatte seit Jahren mit Sicherheit niemand mehr benutzt.
Das Zimmer war genau so, wie sie es erwartet hatte, nur kleiner. Lediglich ein Doppelbett und eine Frisierkommode standen darin; zudem besaß es ein winziges Bad. Der beige Teppich war abgetreten und fleckig, aber was konnte man für dreißig Dollar die Nacht schon erwarten? Kyra warf ihre Tasche neben das Bett und war froh, dass es kein ultraviolettes Licht gab, das die vielen Spermaflecken auf den Lacken enthüllt hätte.
Nachdem sie sich eine Plastiktüte um den Unterschenkel gewickelt hatte, nahm sie eine lange Dusche, als könnte sie die Erinnerung an Reys Berührungen abschrubben. Aber es funktionierte nicht. Mehr als sauber trat sie auf das kleine kratzige Handtuch, das sie am Boden ausgebreitet hatte. Ein weiteres taugte zum Abtrocknen; auch wenn sie ebenso gut einen Luffahandschuh hätte nehmen können. Vielleicht würde sie, wenn dies alles vorbei war, einmal die Gelegenheit haben, Urlaub zu machen, irgendwo, wo es warm, sauber und luxuriös war.
Sie zog sich eine Trainingshose und ein T-Shirt an, ließ das Licht brennen und rollte sich in der Mitte des Bettes zusammen. Die Stille machte die Dinge irgendwie noch schlimmer. Sie fühlte, wie ihr die Tränen kamen, weigerte sich jedoch zu weinen, nur weil sie sich so dumm verhalten hatte. Es war nicht das erste Mal gewesen und würde vermutlich auch nicht das letzte sein. Sie würde Rey einfach ertragen müssen, bis sie mit Serrano fertig wären. Wie idiotisch zu glauben, sie könnte dies alles allein bewältigen.
Es dauerte lange, bis sie endlich eingeschlafen war. Sie träumte von einem Mann mit schwarzen Augen und einem funkelnden Messer – der sie zärtlich und voller Hingabe küsste, um ihr dann die Klinge ins Herz zu stoßen.
Am nächsten Morgen wurde sie von einem Klopfen an der Tür geweckt. Zitternd und verschwitzt erwachte sie aus einem Traum, an den sie sich nicht erinnern konnte. Trotz der Sicherheitskette an der Tür schlich sie auf Zehenspitzen zum Fenster und spähte zwischen den Vorhängen hindurch nach draußen. Vor dem Zimmer stand Reyes in der Morgenkälte und atmete kleine weiße Wolken aus.
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