Skinwalker 01. Feindesland
Munition für die Vampjagd bestand aus Silber-Flechetgeschossen, hergestellt von einem Freund, der bei mir in der Gegend wohnte. Flechets waren winzige pfeilförmige Projektile, die sich nach dem Abschießen in einem mit zunehmender Entfernung wachsenden Ring verteilten und gravierende, oft tödliche Verletzungen beibrachten. Meine waren aus Sterlingsilber, was ihre Durchschlagskraft minderte, sie aber für Vamps giftig machte, selbst wenn sie nicht tödlich getroffen wurden. Bis ein Vamp sich alle Geschosse aus dem Leib gezogen hatte, war er verblutet oder das Silber hatte sich in seinem Körper verteilt. Ich öffnete den Kolben und inspizierte jede Ladung mit Augen und Nase. Bruiser hatte nichts daran verändert. Er hatte nur sehen wollen, was ich an Waffen besaß.
Den zweiten Stock hatte ich bisher nur betreten, um nach Kameras zu suchen. Immer noch nackt folgte ich nun Bruisers Fährte dort hinauf, in alle vier der mit antiken Möbeln ausgestatteten Schlafzimmer und beide Badezimmer. Hier war er schneller durchgegangen. Sehr viel schneller, so als wüsste er, dass ich selten hier oben war. Was ein wenig befremdlich war. Woher konnte er das wissen?
Im Erdgeschoss hatte er viel Zeit in der Küche verbracht, vor allem damit, meinen Kühlschrank zu durchsuchen. Das meiste Rindfleisch hatte ich bereits verspeist, sodass nur noch ein paar gute Sirloin-Steaks darin zu finden waren.
Ich brauchte eine Weile, bis ich die emotionalen Pheromone in seiner Witterung identifiziert hatte, aber schließlich war ich mir sicher: Empörung und Neugier hielten sich die Waage. Nur, weshalb sollte ein Handlanger vom Oberhaupt des Vampirrats sich für die funktionsuntüchtigen Kameras in meinem Haus interessieren? Meinen Kleiderschrank und meine Schubladen durchsehen? In meinen Kühlschrank gucken? Hatte Leo ihn geschickt? Und wenn ja, warum?
Plötzlich sah ich die Höhle aus meinem Traum vor mir, ganz deutlich und in erschreckender Lebendigkeit. Für einen Moment war ich tatsächlich in der Höhle, atmete Kräuterrauch und betrachtete die tanzenden Schatten an der Wand. Halt suchend streckte ich die Hand aus.
IchempfanddasEindringenFremderinmeinHausundmeinenGartenwieeinegewalttätigeEntweihung.ErschöpftgingichvonTürzuTürundüberprüftedieSchlösser – wasimmerdasnütztebeialldenSchlüsseln,dieinUmlaufwaren.Dann,alsbereitsderMorgengraute,schlüpfteichinsBettundschliefsofortein.
DerTraumkamlangsam.WieeinRaubtierschlichersichan.IchsaheinenschwangerenMond,groß,rund,hell.SeinLichtschimmerteaufdemSchneeundspiegeltesichindenEiszapfenandenÄstenderBäume.DieSterneamHimmelwarenkaltundnichtsohellwieindenNächten,wennderSichelmondschien.IchwareineKatze,abernichtBeast.Ichwarichselbst,aberdochnichtganz,sowieesmanchmalist,wennmanträumt.IchwitterteindieDunkelheit,mitbebendenSchnurrhaaren,rochdenWald,lebendigunterdemSchnee,dochbenommenvomlangenWinterschlaf.
Ich saß reglos da, den kurzen, kräftigen Schwanz eng an den Körper gelegt, und schaute über eine unberührte weite, baumlose Fläche, die das Feuer des weißen Mannes hinterlassen hatte. Mein Bauch tat weh. Ich hatte Hunger. Vor Tagen hatte ich gejagt und ein Kaninchen gefangen. Jetzt wartete ich, hielt Ausschau nach einer Bewegung auf dem Schnee. Ich musste fressen, sonst würde ich sterben.
Der Wind drehte sich und fuhr durch mein Fell. Der Geruch von gefrorenem Fleisch stieg auf. Blut. Beute lag unter dem Schnee, nicht meine. Ganz in der Nähe. Mein Magen verkrampfte sich vor Hunger. Ich stand auf, öffnete das Maul und sog Witterungen ein, wie Edoda es mich gelehrt hatte. Großkatzenwitterung mengte sich unter den Blutgeruch. Angst zuckte scharf durch den Hunger, Angst vor Großer Katze. Puma. Tlvdatsi . Auf einmal spürte ich Hoffnung. Tlvdatsi . Edoda . Ich hustete abgehackt. Nein. Edoda ist tot . Der Geruch seines Blutes eine grausame Erinnerung.
DasGefühlvonTrauerbrachtedieErkenntnis,dassichträumte.Undplötzlichwares,alswürdeichausdemTraumheraussteigenundzumBeobachterwerden. Das ist neu ,dachteich. Kein Traum. Eine Erinnerung. Ichwurdeaufgeregt.ImTraum/derErinnerungschnupperteichmitherausgestreckterZunge. Flehmen ,dachteeinandererTeilvonmirschläfrig. Das Jakobsonsche Organ, unverzichtbar für alle Lebewesen, die über Geruch und Pheromone kommunizieren .
Dies war eine andere Art Katze. Gefährlich für Luchse – für we sa. Für mich . Aber Große Katze war fort. Sie hatte ihre Beute versteckt. Ich schlich über den Schnee, blieb immer wieder stehen, duckte mich und
Weitere Kostenlose Bücher