Skinwalker 01. Feindesland
war mir nicht ganz sicher, wie ich es fand, dass Katie Tee offenbar ebenso liebte wie ich. Zum ersten Mal erlebte ich, dass Vamps etwas anderes mochten als Blut oder Alkohol. Für Vamps gab es zahllose Namen: Vampire, Wampyor, Dhumpir, Anarchen, Wiedergänger, Ubur, Alukah, Gezeichnete, Lamien, Kainskinder, Älteste, Caitiff, Anhänger der Camarilla und viele mehr. Ich hatte die wenigen verlässlichen Infos über sogenannte geistig gesunde Vampire genau studiert, war aber zu dem Schluss gekommen, dass sie allesamt nichts als blutsaugende Psychopathen waren. Es fiel mir schwer, sie anders zu sehen. Und Katies Ausraster, als sie meinen Geruch wahrnahm, hatte nichts dazu beigetragen, meine Meinung zu ändern.
Ich wählte eine englische Kanne für acht Tassen und einen passenden Filter und spülte beides über dem Becken aus. Während das Wasser heiß wurde, ging ich mit knurrendem Magen unter die Dusche im Erdgeschoss, trocknete mich ab und schlüpfte in einen weichen Chenille-Bademantel, der an der Badezimmertür hing. Dann bürstete ich mein Haar und drehte es zu einem praktischen Knoten, um es später zu flechten.
Meine wenigen Habseligkeiten warf ich im angrenzenden Schlafzimmer, das nach vorne hinausging, aufs Bett, stellte meine Toilettenartikel ins Badezimmer, verstaute meine Kleider auf Bügeln und Drahtregalen im Schrank und schob eine Holzkiste auf das oberste Regalbrett. Die Kiste maß in Länge und Breite nur etwa zehn Zentimeter und fünf Zentimeter in der Höhe und bestand aus mit Intarsien verziertem Olivenholz von einem Baum in der Nähe von Jerusalem. Darin befanden sich Talismane, die mich ein hübsches Sümmchen gekostet hatten – mein Ass im Ärmel, um Rogues den Garaus zu machen. Die Kiste selbst war mit einem Zauber belegt, der dafür sorgte, dass man sie leicht übersah. Kein Unsichtbarkeitszauber, sondern ein Tarnzauber. Meine Hexenfreundin Molly nannte das »Camouflage-Zauber « . Molly hatte eine Schwäche für komplizierte Wörter.
Ich bezog das Bett und legte zwei Vampkiller – Spezialmesser mit einem Silberrand an der Schneide – auf den Nachttisch. Bei Tageslicht konnten Vampire nicht ins Freie, ihre Diener aber sehr wohl. Falls der Verrückte, hinter dem ich her war, einen oder mehrere Diener besaß, mochte er noch so weit bei Verstand sein, sie auf mich zu hetzen. Wenn er jedoch vom Blut eines Menschen trank, den ich gestochen hatte, würde die kleine Silbervergiftung es mir leichter machen, ihn zu töten.
Mit meinen Sicherheitsvorkehrungen so zufrieden, wie es möglich war, ohne die Türen und Fenster auszutauschen, machte ich einen Rundgang durchs Haus. Es war traumhaft eingerichtet, wie aus einem Schöner-Wohnen-Magazin. Den Boden bedeckten mindestens dreißig Zentimeter breite Hartholzdielen, vielleicht Zypresse aus der Gegend. Kunstvoll modulierter, weiß gestrichener Stuck schmückte die Decke, mit passenden Zierleisten am Boden. Ein Zimmer, vielleicht einst als Esszimmer gedacht, war komplett vertäfelt. Alle übrigen Wände waren in sanften, gedeckten Tönen gestrichen: Milchkaffee, Creme, Eierschale. Hübsche antike Tische und handgeschnitzte Stühle waren kombiniert mit bequemen modernen Möbeln, ein paar Sofas und ein Ledersessel vervollständigten den eklektischen Look. Während ich mich umsah, sprang die Klimaanlage an. Die kühle Luft hob den Bettüberwurf an und blies über meine Haut. In allen Zimmern hingen Ventilatoren an den vier Meter hohen Decken und sorgten für frische Luft. Wesentlich schöner als meine winzige Einzimmerwohnung unterm Dach eines alten Hauses bei Asheville.
Zurück in der Küche drehte ich die Flamme unter dem pfeifenden Kessel ab und goss das Wasser fast kochend über die Teeblätter. Während der Tee zog, bereitete ich den Haferbrei so zu, wie ich es von der Hausmutter im Kinderheim gelernt hatte. Leicht gesalzenes Wasser zum Kochen bringen, in gleicher Menge Vollkornhaferflocken dazugeben – niemals das Instantzeug! – und umrühren, bis sie erhitzt sind. Vielleicht eine Minute. Vielleicht auch weniger, je nachdem, wie groß der Hunger ist. In eine Schale füllen, Zucker und Milch dazugeben. Essen. Und dazu einen nach allen Regeln der Kunst zubereiteten Tee.
Ich bin ein Tee-Snob. Mein Sensei hat mich mit Tees und Teegeschirr bekannt gemacht, da war ich noch ein Teenager, und von da an übte ich mich jeden Abend in dieser Kunst, nachdem er mich grün und blau geschlagen und mir zwischendurch beigebracht hatte, wie ein Mann zu
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