Skinwalker 01. Feindesland
Sein Blick wanderte von meinem Gesicht an meinem Körper hinab und dann genießerisch wieder hoch. »Eigentlich ist es schon Nachmittag « , sagte er.
Mein Haar war nur locker hochgedreht, und als ich nickte, fiel es nach vorn. Ich hatte vergessen, vor dem Wandeln die Stein- und Plastikperlen herauszunehmen. Verflixt. Die würde ich nun alle einzeln aufklauben müssen. »Stimmt « , sagte ich.
»Letzte Nacht waren Sie nicht zu Hause .« Als ich nicht antwortete, sagte er: »Ich habe geklopft. Ihr Motorrad stand im Garten, das habe ich durchs Tor gesehen. Aber es brannte kein Licht, und ich habe keine Geräusche gehört oder Bewegung gesehen. Sie waren nicht hier .«
Da es keine Frage war, antwortete ich nicht. Es war auch kein Vorwurf, aber nah dran. Dieser Typ interessierte sich ein bisschen zu sehr für mich, das stand fest. Und ich sollte mich besser fragen, warum. Er konnte sich ja wohl kaum Hals über Kopf in mich verliebt haben, als ich gestern an ihm vorbeigebrummt war. Ich erlaubte mir ein leichtes Lächeln, und er sprach weiter, ein amüsiertes Funkeln im Blick.
»Als ich Tom anrief, erzählte er, Sie haben sämtliche Überwachungskamerasdeaktiviert. In knapp acht Minuten .« Also kannte er den Troll. Auch das war interessant. Ich zog eine Augenbraue hoch, was ihn noch mehr belustigte. Er sagte: »Tom meinte, Sie haben ihm einen Spitznamen verpasst, aber er wollte mir nicht verraten, welchen .«
»Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie mich geweckt haben ?« , fragte ich.
»Ja. Ich möchte Sie zu einem späten Mittagessen einladen. Sie können sich gern bei Tom über mich erkundigen. Aber ich warne Sie: Er wird Ihnen sagen, dass ich kein guter Umgang bin .«
Ich lehnte mich mit der Hüfte gegen die Tür und überlegte. Dass er den Troll kannte, bedeutete, dass er von hier war. Und ich konnte jemanden mit guten Kontakten gebrauchen. Meine Ermittlungen standen noch am Anfang, aber es war nicht zu früh, mir zuverlässige Informanten zu suchen. So wie er aussah und auftrat, stufte ich ihn als Bad Boy ein, mit entsprechenden Verbindungen. Ideal für meine Zwecke. Und selbst Bad Boys müssen essen. »Was hatten Sie sich denn vorgestellt ?«
»Flusskrebse, Hushpuppies, Bier. Und wenn Sie möchten, auch Salat « , fügte er hinzu, als wäre ihm gerade noch eingefallen, dass Frauen auf Salat standen.
»Ich habe noch nie Flusskrebse gegessen .«
»Also ?« Er sprach das Wort gedehnt aus, wartete auf meine Antwort.
»Haben Sie auch einen Namen ?«
»Rick LaFleur .«
»Gehen wir zu Fuß oder fahren wir ?«
»Wir gehen zu Fuß. Ich zeige Ihnen das French Quarter. Oder einen Teil davon .«
Ich hatte mir das Quarter letzte Nacht schon angesehen, trotzdem nickte ich. »Ich ziehe mich an .« Als ich die Tür schließen wollte, streckte Rick LaFleur die Hand aus und hielt sie einen Spalt auf. Jetzt konnte ich etwas mehr von seinem Tattoo erkennen, vier Punkte direkt über den Blutstropfen. Und auf der linken Schulter ließ sich noch ein Tattoo erahnen. Schwarz und grau.
»Wollen Sie mich nicht reinbitten ?«
»Nein .«
»Wenigstens sind Sie geradeheraus. Na gut. Wie lange wird’s denn dauern ?«
»Zehn Minuten. Höchstens .« Rick hob ungläubig die Brauen. Dieses Mal hinderte er mich nicht daran, die Tür zu schließen. Anscheinend wollte er seine Finger behalten.
Ich wählte die Nummer von Katies Ladies . Als sich eine schläfrig klingende Frauenstimme meldete, fragte ich nach Tom. Wie von Rick vorhergesagt, kündigte Tom an, er würde mir Schwierigkeiten machen, doch ich erfuhr auch, dass LaFleur sein Neffe war, im Grunde ein guter Junge, der auf die schiefe Bahn geraten war. War in Tulane auf die Uni gegangen, hatte sogar seinen Abschluss gemacht, dann aber einen Job als Bodyguard bei irgendeinem zwielichtigen Kerl angenommen. Seit sein Boss wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis gewandert war, hielt Rick sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser: Schwarzarbeit beim Wachdienst, Personenschutz und ein paar kleinere Aufträge als Sicherheitsfachmann für die Vampirgemeinde, insbesondere für Katie. Er kannte viele Leute. Er verfügte über Fähigkeiten, wie sie Schlägertypen und organisierte Kriminelle besaßen. Perfekt für das, was ich mit ihm vorhatte. Der Troll riet mir, mich von Rick fernzuhalten. Ich sagte ihm, ich würde mir seinen Rat durch den Kopf gehen lassen.
Dann legte ich auf, putzte mir die Zähne, fuhr mir mit der Bürste durchs Haar, schlüpfte in die Jeans von gestern und zog
Weitere Kostenlose Bücher