Skinwalker 01. Feindesland
kämpfen.
ZwarwarichseitsechsundzwanzigStundenaufdenBeinen,abermeinHungerwarnochgrößeralsmeineMüdigkeit,undichschlangschnelldreiSchüsselnHaferbreiherunter.ZufriedenbetrachteteichmeinenrundenBauch,auchwennichkurzBeastsAbscheuspürteunddasBildeinesgrasendenRehsvormeineminnerenAugeerschien.Ichignoriertees,trugmeinenBecherzumTischundzogdenGürteldesBademantelsfest.Erwarsauber.WahrscheinlichhattederMensch,derdasHausfürmichhergerichtethatte,ihnhinterlassen.OderderletzteMieterhatteihnbeiseinemAuszugvergessen.Er.Ja.ÜberalldenGerüchenseinerunterschiedlichenNutzungrochdasHauszuletztnacheinemMann.
Ich schlürfte meinen Tee und entspannte mich, die Füße auf einen Stuhl gelegt, in den von der Brust bis zum Schienbein geschlossenen Bademantel gehüllt. Der Tisch war alt, vielleicht antik, mit Antiquitäten kannte ich mich nicht aus. Vielleicht kam ich nächstes Jahr mal dazu, mich damit zu beschäftigen. Oder ich eignete mir ein paar Fremdsprachen an, Französisch, Spanisch, und dann Kantonesisch wegen meiner Leidenschaft für Tee. Als ich den Tee ausgetrunken hatte – acht Tassen, vier Becher – , spülte ich das Geschirr und stellte die Kanne, den Kessel und den Steingutbecher auf ein Küchenhandtuch. Ich warf den Bademantel über das Fußende des Bettes und kroch zwischen die weichen, duftigen Laken.
Bevor ich einschlief, tippte ich Mollys Nummer ein und drückte das Handy ans Ohr.
Sie meldete sich mit: »Hey, Tiger !«
»Morgen, Mol « , murmelte ich schläfrig. »Wie geht’s den Welpen ?«
»Welpen? Du sprichst ja noch wie Beast. Dann warst du gestern Nacht auf der Jagd .« Als ich ein vages Ja murmelte, fragte sie: »Hast du Beute gemacht ?«
»Der wilde Vampir riecht komisch. Beast denkt, er stirbt .«
»Vampire sterben nicht. Nimm das aus dem Mund, Evan « , ermahnte sie, ohne abzusetzen, ihren Sohn. »Buntstifte sehen hübsch aus, schmecken aber nicht gut. Angie, nimm ihm die Stifte weg. Danke. Vamps sterben nicht « , wiederholte sie, nun wieder an mich gewandt.
Ich schloss die Augen. Der Schlaf war so nah, dass meine Glieder schwer wurden. Langsam senkte sich Dunkelheit über mich. »Ich weiß. Seltsam, was? Hast du mit deinen Hexenschwestern schon rausgekriegt, wieso christliche Symbole Vamps umbringen ?«
»Keinen Schimmer. Aber wir bleiben dran, die ganze Familie forscht inzwischen fleißig mit. Das ist eine spannende Aufgabe .«
»Nacht, Mol .«
»Nacht, Tiger .«
Ich erwachte um zwei Uhr nachmittags, als jemand an meine Tür klopfte. Steif rollte ich mich aus dem Bett und schlüpfte in den Bademantel. Das Handy hatte ich immer noch in der Hand, jetzt schob ich es in die Tasche des Mantels. Auf nackten Füßen tapste ich zur Haustür, spähte durch die klare Scheibe in dem Buntglasfenster und erkannte den gut aussehenden Typen von gestern. Interessant.
Er stand in einem Winkel, der es ihm erlaubte, gleichzeitig die Straße und die Tür im Auge zu behalten. Heute war er nicht ganz so cool, kein Schwarz von Kopf bis Fuß, sondern abgewetzte Jeans mit Knopfleiste und ein so blendend weißes T-Shirt, dass es brandneu sein musste, dazu zerschrammte und ausgetretene, einstmals braune Ledersandalen. Und die tarnende Sonnenbrille. Seine Nase war wohl einmal gebrochen worden. Über dem Schlüsselbein verschwand eine dünne Narbe unter seinem T-Shirt. Am Oberarm sah ich den Rand eines Tattoos, von dem unter dem Ärmel nicht viel zu erkennen war, aber es sah nach handwerklich guter Arbeit aus. Irgendetwas Dunkles mit roten Kugeln wie Blutstropfen, kräftige, tiefe Farben. Vielleicht asiatisch. Er war nicht rasiert, aber das leicht Stoppelige stand ihm. Ich hatte mal ein paar Kanuten kennengelernt – Paddler, Flussratten – , die das ähnlich gut tragen konnten.
Als ob er meine Anwesenheit spürte, wandte der Typ sich mir zu und nahm die Brille ab. Schwarze Augen starrten durch die winzige klare Scheibe. Er schien nicht bewaffnet. Er stand ganz offen vor der Haustür, wo ihn jeder sehen konnte, der zufällig vorbeikam. Das Motorrad hatte ich nicht gehört und roch auch keine frischen Abgase. War er zu Fuß gekommen? Jedenfalls war er allein. Also öffnete ich die Tür. Klebrige, feuchte Hitze strömte herein. »Morgen « , sagte ich.
Er lächelte. Es war ein nettes Lächeln. Die vollen Lippen wurden erst breiter, dann teilten sie sich und gaben den Blick auf weiße, nicht ganz gerade Zähne frei. Irgendwie hatten diese leicht schiefen Zähne über seiner Unterlippe etwas unerwartet Anziehendes.
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