Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
Digadoli, aquetsi ageyutsa .« Rotluchs. Wildkatze. Schaf. Ponyfohlen. Waschbär. Eule. Adler. Wenn du älter bist und größer, Berglöwe. Panther, wie ich. Goldene Augen, meine Tochter.«
Die Stimme meines Vaters redete weiter, zählte die Namen der Tiere auf, die ich wählen konnte. Aber ich wusste schon, auch wenn mein Körper noch zu klein war, dass ich we sa und tlvdatsi werden wollte. Wie mein Vater. Weil er es mir gesagt hatte.
Dalonigi i Digadoli . Goldene Augen. Mein Name.
»Wach auf, Jane. Wach auf«, murmelte eine Stimme. »Es ist Zeit zu gehen.«
Ich öffnete die Augen. Ich lag auf dem Rücken, den Blick nach oben gerichtet. Ich fühlte mich friedlich und ruhig, als wäre ich eine Feder, die von einem Windhauch getragen wurde. Über mir drang ein Strahl Sonnenlicht durch das Dach und schien durch den strudelnden Rauch herunter. Partikel trieben und wirbelten in dem hellen Licht. Ich drehte den Kopf. Ich befand mich in einem dunklen Raum. In den Ecken kauerten Schatten. Die Luft war warm und trocken, meine Haut von Salz verkrustet. Mein Haar, das eben noch fest geflochten gewesen war, lag nun offen auf dem Lehmboden und über meinen Schultern. Ich lächelte. »Ich weiß meinen Namen wieder.«
Ein leises Lachen drang durch das Dunkel zu mir. » Dalonigi i Digadoli . Goldene Augen. Das ist ein sehr hübscher Name.«
Ich setzte mich auf. Am anderen Ende der Schwitzhütte saß Aggie One Feather mit ausgestreckten Beinen auf einem Stück Baumstamm. Sie lächelte, aber in ihren Augen lag ein heimlicher, wissender Schatten, den ich nicht sehen sollte. Unruhe regte sich in meiner ruhigen Mitte, wie ein Strudel in einem Teich. »Was ist denn?«, fragte ich.
Sie starrte mich an, als versuchte sie, durch meine Augen hindurch in meiner Seele zu lesen. » Dalonigi i Digadoli ist kein traditioneller Name für eine aus dem Volk.« Ich zuckte die Achseln, weil ich nicht wusste, was ich darauf sagen sollte. »Und die Tiere, die du aufgezählt hast. So viele. So fremd. Deine Eltern waren Sprecher der Sprache des Volkes. Beide.«
Ich verstand, was sie damit sagen wollte. Es gab nicht mehr viele Sprecher der Sprache des Volkes, weniger als hundert, selbst wenn man die östlichen und die westlichen Cherokee zusammenzählte. Wenn meine Eltern Sprecher waren, dann mussten ihre Namen bekannt sein. Dann hätte Aggie von ihnen gehört und gewusst, dass sie eine Tochter verloren hatten. Doch das hatte sie nicht, und deswegen konnte ich keine Sprecher als Eltern haben. Und dennoch erinnerte ich mich daran, dass sie die Sprache gesprochen hatten. Das passte nicht zusammen.
Aber Aggie wusste nicht, wie alt ich meiner Meinung nach wirklich war. Das war, zusammen mit meiner Skinwalker-Magie, eines der Geheimnisse, die ich bewahren musste. Ich konnte ihr nicht die Wahrheit sagen, denn nur Anonymität garantierte mir Sicherheit. Doch ich ahnte, dass Aggie bereits vermutete, dass ich nicht ganz offen zu ihr war.
»Erinnerst du dich an ihre Namen?«, fragte Aggie One Feather betont neutral.
Ich schüttelte den Kopf. » Edoda , mein Vater, gehörte zu den ani gilogi, dem Panther-Clan. Etsi, meine Mutter, war eine ani sahoni , sie gehörte zum Blue-Holly-Clan. E lisi , meine Großmutter, kam aus dem Panther-Clan, wie mein Vater. An mehr erinnere ich mich nicht.« Lügen haben kurze Beine. Merkt sie nicht, dass ich lüge? »Mein Name … ich weiß nicht. Es war einfach mein Name.« Ich zögerte. Ich wollte diese Frau nicht anlügen. Das Volk log niemanden an, nicht einmal den weißen Mann, der niemals die Wahrheit sagte. Und Älteste log man schon gar nicht an, unter keinen Umständen, selbst heute nicht, obwohl die jungen Leute kaum noch Respekt vor den Älteren hatten. Also stellte ich stattdessen eine Frage: »Die Tiere … was glaubst du, was die Namen bedeuten?«
Aggie stand auf, mit geschmeidigen, fließenden Bewegungen. Ich schätzte sie auf über fünfzig, doch ihr Körper verriet nichts über ihr Alter. »Das weiß ich nicht«, sagte sie. »Ich werde meine Mutter fragen. Komm. Es ist Zeit zu gehen. Es ist zu spät, um dich heute noch durch das Wasser zu geleiten.«
Da war etwas in ihrer Stimme, das mich vermuten ließ, dass sie, wenn auch mit wohlgesetzten Worten, die Wahrheit umging, entweder, weil sie Angst vor der Wahrheit hatte und nicht wollte, dass ich sie erfuhr, oder weil sie Angst vor mir hatte. Vielleicht wusste sie auch einfach nur nicht, was sie mir sagen sollte. Doch sie sah mich nicht an. Nicht ein Mal.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher