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Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)

Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)

Titel: Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faith Hunter
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Schlaf. Doch als ich erst einmal lag, gelang es mir nicht, mich zu entspannen. Wieder und wieder sah ich, wie die winzigen Fangzähne ausfuhren, klein, wie die Zähne eines menschlichen Babys. Meistens war es einfach, einen Rogue ins Jenseits zu befördern, aber zuzusehen, wie diese junge Frau im Partykleid auferstand, und dann mitzuerleben, wie im Sterben die Menschlichkeit in ihre Augen zurückfand, hatte einen schlechten Geschmack in meinem Mund hinterlassen. Die Ereignisse der Nacht hatten mich aufgewühlt, ich kam mir irgendwie schmutzig vor. Ich musste … mich reinigen. Ich rollte mich herum. Es war an der Zeit, etwas zu tun, das ich schon viel zu lange aufgeschoben hatte.
    Um halb sechs Uhr morgens kroch ich aus dem Bett, benommen und mit trüben Augen, und schlüpfte in Jeans, T-Shirt und Western Boots. So aufgeschlossen, wie ich für dieses Erlebnis nur sein konnte, verließ ich das Haus, ohne etwas zu essen oder Molly oder die Kinder zu wecken.
    Mischa stotterte, als ich sie startete, doch dann beschleunigte sie ziemlich schnell. Auf der anderen Seite des Flusses (alle Richtungen in New Orleans orientieren sich am Lake Pontchartrain oder am Mississippi, flussaufwärts oder -abwärts) nahm ich die Kurven und Geraden, bis ich schließlich in eine Sackgasse mit weißem Muschelbelag einbog, die zu einem winzigen Haus führte. Der strenge Geruch nach Holzrauch lag in der Luft und nahm zu, als ich in die Einfahrt fuhr.
    Als ich die Klingel drückte, war das Licht von einem unbestimmten Grau. Ich fuhr zusammen, als die Tür sich sofort darauf öffnete. Die schlanke, schwarzhaarige Frau, die vor mir stand, war in Jeans und ein langärmeliges Shirt gekleidet. Sie lächelte mich an, als hätte sie gewusst, dass ich kommen würde – was unmöglich war, oder nicht? –, und als sie sprach, war ihre Stimme leise und hauchig, der Klang der Sprache des Volkes. » Gi yv ha «, sagte sie und hielt die Tür auf. » Gi yv ha « ist Cherokee und bedeutet » Tritt ein«.
    Ich nickte förmlich, fast war es eine Verneigung, und sagte: »Ich danke dir, Egini Agayvlge i – Aggie One Feather.« Ich wünschte, ich könnte mich besser an die Sprache meines Volkes erinnern, wünschte, ich wäre eine Sprecherin , wie das Volk die nennt, die die Sprache der Cherokee noch beherrschen. Aber in meinem beschädigten Kopf waren die Worte weit verstreut und zerbrochen, die meisten sogar gänzlich verloren. Ich hatte zu lange in der Gestalt von Beast gelebt und die Sitten und die Sprache dieses Volkes vergessen.
    »Bist du bereit, Jane Dalonige’i , Jane Yellowrock oder Jane Gold in der Sprache des weißen Mannes?«, fragte Aggie. Ihre Stimme war leise, melodiös, die sanfte Stimme aus den Träumen, aber auch Alpträumen. Als ich nickte, fragte sie: »Hast du heute gefastet?«
    »Ja, habe ich.« Beast war aufs Äußerste gespannt, aber sie hielt sich geduckt, tief in mir drinnen, aufmerksam und still.
    »Dann bringe ich dich zum Schwitzen. Und danach, wenn du bereit bist, geleite ich dich durch das Wasser.« Die Worte waren den traditionellen Worten von Schamanen, den Helfern des Stammes, ganz ähnlich. Schamanen und Stammesälteste halfen jedem, der um Hilfe bat, selbst dem weißen Mann, mit Heilzeremonien, Rat oder auf eher praktische Weise.
    Aggie One Feather hoffte, mich heute zur Begegnung mit meinem wahren Selbst zu bringen, meinem Geistselbst, um mich auf den Weg zur spirituellen Heilung zu führen. Und obwohl ich ihr nicht gesagt hatte, was ich war, kannte sie doch Teile meiner Geschichte und hatte vielleicht sehr viel mehr schon erraten. Ich hoffte, sie konnte mir helfen, das Kind zu finden, das ich einmal, vor so langer Zeit, gewesen war. Bevor es Beast gab. Bevor ich meine Erinnerungen verloren hatte. Vor den Hungerzeiten, an die ich mich nur vage erinnerte. Bevor ich gefunden worden war, in den Appalachen umherirrend, verängstigt, mit Narben bedeckt, nackt und kaum der menschlichen Sprache mächtig. Eigentlich hätte es mich nicht überraschen dürfen, gerade hier in New Orleans auf sie getroffen zu sein – mein Volk lebte in den gesamten Vereinigten Staaten verstreut – , aber ich fand immer noch, dass es einer von diesen seltsamen Zufällen war, die das Schicksal uns manchmal beschert. Da ich dadurch möglicherweise etwas über meine Vergangenheit erfahren würde, hatte ich dieses Mal nichts dagegen.
    Aggie ergriff einen Wasserkrug aus Steingut und eine lange, hölzerne Schöpfkelle, die auf einem Tisch bei der Tür

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