Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
nahm Skiria das Messer entgegen und ritzte damit leicht das Fleisch seines kleinen Fingers, während sie sein Handgelenk umfasst hielt. Gwendol zuckte unwillkürlich zurück, überstand die Prozedur jedoch, ohne einen Klagelaut von sich zu geben. Bluttropfen sickerten hervor und landeten in dem Schälchen, das Skiria sorgsam unter Gwendols Hand hielt. Erst als einige Tropfen den Boden des Gefäßes bedeckten, erlaubte sie dem Jungen, den schmerzenden Finger in den Mund zu stecken. Doch kurz darauf reichte sie ihm schon die Feder, die sie zuvor in die aufgefangene Flüssigkeit getunkt hatte, und schob ihm das Pergament zu.
„Schreib zuerst, wen du verwandeln willst, und darunter, welche Gestalt sie annehmen sollen!“
Da er nicht alle Namen der Gefangenen kannte, schrieb Gwendol „alle Sklaven im Berg“ und danach „Phyraton“. Zufrieden legte er die Feder beiseite, faltete das Pergament und schob es unter sein Wams.
Schlurfende Schritte, die schnell näher kamen, ließen die beiden aufhorchen. Skiria griff nach der Feder, raffte ihr Kleid hoch und lief los.
XXVI.
Als er abgeführt wurde, überlegte Gwendol fieberhaft, wie er nun vorgehen sollte. Glücklicherweise hatten die Magier davon abgesehen, ihren Gefangenen zu fesseln, sie schubsten ihn einfach vor sich her den Gang entlang. Gwendols Sorge, mit festgebundenen Händen nicht agieren zu können, stellte sich somit als unbegründet heraus. Im Beisein der anderen Sklaven musste es Gwendol nun gelingen, das unter seiner Kleidung verborgene Blatt Papier zu zerreißen. Doch dafür benötigte er einen unbeobachteten Moment. Gwendol zweifelte daran, dass ihn die Magier auch nun einen Wimpernschlag lang aus den Augen lassen würden.
Als sie in den Stollen traten, dröhnte Zarfans kreischende Stimme über die dort versammelten Sklaven hinweg: „Seht euch genau an, was nun passiert. Jedem, der es wagt, sich künftig auch nur einen Bruchteil dessen, was dieser unglaublich dumme Nichtsnutz getan hat, zu erlauben, wird dieses grausame Schicksal erleiden.“
Während Zarfans drohende Worte durch den Raum hallten, hielten sämtliche Arbeiter ihre Köpfe gesenkt. Ängstlich schielten manche zu dem aufgeschichteten Berg aus Rubinen.
Die meisten ahnten bereits, was nun geschehen würde, doch noch wussten sie nicht, wen von ihnen es diesmal träfe.
Als er Gwendol erkannte, entfuhr Janus ein Schrei. Er riss sich von Irian los, der versuchte, seinen Kameraden festzuhalten, da ihm bewusst war, dass gegen die Schwarzmagier, die sich in dem Höhlenraum versammelt hatten, keine Chance bestand. Zarfans gehässig grinsendes Antlitz im Visier, versuchte Janus, sich auf ihn zu stürzen, doch seine Untergebenen versperrten ihm rasch den Weg.
Wie an einer Mauer prallte er an ihnen ab und stürzte zu Boden, während Zarfan seine Rede kurz unterbrach, um zu sehen, wer es wagte, ihn bei seiner Ansprache zu stören.
„Und du bist der nächste!“, rief Zarfan ihm zu, bevor er zufrieden verfolgte, wie Janus auf dem Boden zu seinem Platz zurückkroch und erst dort, sich die schmerzenden Glieder haltend, langsam wieder aufstand.
Gwendol nahm sich vor, zunächst alles mit sich geschehen zu lassen, bis sich eine Möglichkeit zum Handeln ergab. Als ihn jedoch die Magier an Armen und Beinen packten und auf die aufgeschichteten Rubine legten, winselte er vor Angst und wand sich unter ihren Händen. Kaum berührte sein Rücken die Steine, fühlte sich Gwendol, als hielten ihn immense Kräfte dort fest, die ihn zur Bewegungslosigkeit verdammten.
Die Magier bildeten nun einen Halbkreis um ihn und begannen, die finsteren Mächte anzurufen. Kalt lächelnd sah Zarfan ihnen dabei zu. Je lauter sie sprachen, desto stärker spürte Gwendol, wie er auf den steinernen Scheiterhaufen gepresst wurde, als sei sein Körper mit Seilen auf ihm festgebunden, die ein unsichtbarer Henker nun noch einmal kräftig festzurrte.
Panik erfasste ihn bei dem Gedanken, seinen Plan nicht erfüllen zu können. Unerreichbar erschien ihm in diesem Moment das rettende Blatt Papier an seiner Brust. Ein überraschtes Raunen entfuhr jäh den Sklaven, doch Gwendol wusste nicht recht, worüber sie so sehr staunten. An seinem Kinn verspürte er ein unvermitteltes Kitzeln, sodass er den Kopf hin- und herwarf, um sich davon zu befreien, doch Gwendol merkte schnell, dass hier etwas äußerst Seltsames im Gange war. Über seiner Stirn und um den Mund herum kribbelte und stach es furchtbar. An seiner Wange
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