Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
schlängelte sich etwas hinab, was ihn brüllen ließ, denn nichts anderes kam ihm in den Sinn, als dass es sich um eine magische Kreatur handelte, die ihm den Tod brachte. Aus den Augenwinkeln erblickte er eine braune Strähne, die sich kräuselnd bis zu seinem Hals fortbewegte.
Es gelang ihm schließlich, sein Kinn zu heben. Doch weder einen Dämon in Gestalt einer Schlange, noch ein anderes Wesen aus dem Reich der Finsternis erblickte er, sondern seine eigenen Haare. Lockige Pracht, die ihm plötzlich bis zur Brust reichte und noch weiter zu wachsen schien. Unter seinem Kinn bildeten sich dicke Borsten aus, die ebenso sprossen wie das Haupthaar. Mühsam hob Gwendol eine Hand und tastete über den dichten Vollbart. Er stöhnte auf, als er jähen Schmerz in seinen Knochen verspürte, die sich endlos zu dehnen schienen. Über der Brust spannte sein Wams bereits beträchtlich, bis es schließlich aufriss, genauso wie Gwendols Hose, die bald nur mehr in Fetzen von seinen Beinen hing. Auch mit seiner Haut schien eine Veränderung vorzugehen, denn sie spannte, als drohte sie, sich jeden Moment abzupellen. Tiefe Furchen gruben sich in seine Stirn. Seine Locken waren mittlerweile am Bauchnabel angekommen, wo das Wachstum zum Stillstand kam. Dafür nahm die neue Haarpracht nun nach und nach einen hellen Grauton an, bevor Teile davon ausfielen und seitlich an dem Berg aus Rubinen zu Boden rutschten. Bleierne Müdigkeit überfiel Gwendol.
Hazaar suchte verzweifelt nach einem Ausweg, während er mit ansehen musste, wie sein Schützling, der nun kein Junge mehr war, sondern ein alter Mann, sich schreiend auf den Rubinen wand. Die Steine erstrahlten in funkelndem Glanz, den ihnen Gwendols entzogene Lebensenergie verlieh. Es blieb nicht mehr viel Zeit. Gwendol alterte binnen weniger Augenblicke um Jahre. Ohne einen Gegenzauber würde er viel zu früh das Schicksal erleiden, das irgendwann jedem widerfuhr. Verzweifelt versuchte Hazaar, Ordnung in die bruchstückhaften Formeln zu bringen, die wirr seine Gedanken beherrschten.
Schließlich nahm er seine ganze Kraft zusammen, ballte die Hände krampfhaft zu Fäusten und stieß gepresst klingende Laute aus.
Zarfan bemerkte rasch, dass sich jemand erdreistete, die Hinrichtungszeremonie zu stören und blickte sich zornig um. Doch bevor er Hazaar entdeckte, griff er sich an seine Augen. Sein jäher Schrei erschütterte den Stollen. Beinahe gleichzeitig fielen die anderen Magier auf die Knie und bargen ihr schmerzverzerrtes Gesicht in den Handflächen.
Hazaars Zauber hatte ihre Lider verschlossen.
Wie festgewachsen klebten sie aufeinander und widerstanden den Anstrengungen der Magier, die Augen wieder aufzureißen. Das Glimmen der Rubine wirkte ein wenig schwächer. Als lockere sich der Griff der schwarzen Mächte, konnte sich Gwendol nun wieder aufrichten. Hazaar wiederholte pausenlos dieselben Phrasen und hoffte, deren Wirkung möge lange genug anhalten, um Gwendol irgendeinen Vorteil zu verschaffen. Er befürchtete jedoch, den Knaben dadurch letztendlich nicht vor dem Schlimmsten bewahren zu können. Bestenfalls konnte er seinen Tod ein wenig hinauszögern.
Die Gefangenen erkannten, dass ihre Herren die Kontrolle verloren. Die meisten der Magier wanden sich am Boden, andere liefen in Panik blindlings gegen Wände. Manche Sklaven nutzten den Tumult, um zu fliehen und rannten rasch zum Ausgang.
Um Gwendol kümmerte sich in diesem Augenblick niemand mehr. Er stieg, weißbärtig und fast kahl, von dem Steinhaufen hinab und fasste an die Überreste seines Wams, wo er das zerknitterte Pergament vorfand. Zitternd nestelten seine Finger die beschriebene Seite heraus. An einigen Stellen war sie eingerissen, doch ansonsten hatte das Dokument Gwendols Wachstum unbeschadet überstanden. Zügig riss Gwendol das Blatt in gleichmäßige Schnipsel, die er nacheinander in die Luft warf, und sich dabei immer wieder vergewisserte, dass keiner der Magier sein Treiben verfolgte. Als das erste Stück Papier auf dem Boden landete, hielt er den Atem an. Nichts geschah. Nach und nach folgten die restlichen Einzelteile des Schriftstücks, bis Gwendol nichts mehr davon in den Händen hielt. Gespannt blickte er umher. Wo würde die Verwandlung zuerst einsetzen?
Nathael griff sich plötzlich würgend an die Kehle. Andere Gefangene blieben ruckartig stehen, um entsetzt festzustellen, dass durch ihre Kleidung schwarze Federn den Weg ins Freie suchten. Nathaels Hinterkopf verflachte sich
Weitere Kostenlose Bücher