Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
Mädchen, dessen blondes Haar in wirren Strähnen hinab hing. Ein arg zerschlissenes, viel zu kurzes Kleid bedeckte gerade ihre Knie.
So seltsam es auch anmutete, an dieser entlegenen Stelle im Wald auf eine junge Frau zu treffen, ließ ihn das, was Rabanus hinter ihr erblickte, doch glauben, es handele sich um eine Sinnestäuschung. Wochenlang hatten sie jeden Winkel des Waldes durchkämmt, um Drachen zu finden. Erfolglos. Wie war es möglich, dass ihm nun binnen weniger Augenblicke bereits das zweite Exemplar dieser Spezies gegenüberstand? Das schuppige Untier, das sich hinter dem Mädchen aufgebaut hatte, wirkte etwas kleiner als sein Artgenosse. Trotzdem nahm sich der Jäger in Acht, denn das Tier stieß bereits bedrohlich erscheinende Dampfstöße aus seinen Nüstern, um sich auf einen Feuerangriff vorzubereiten.
Das Biest hielt eindeutig die bessere Position inne. Bevor sich Rabanus auch nur soweit nähern würde, dass er die Bestie mit seinem Schwert kitzeln konnte, hätte der Drache ihn knusprig gar gegrillt. Wütend funkelten seine Augen. Er erweckte den Anschein, genau zu wissen, wer seinen Artgenossen soeben angegriffen hatte. Rabanus musste sich eingestehen, dass er wohl mit dem Leben dafür zahlen müsse, ginge er jetzt auf den erzürnten Drachen los. Doch statt sogleich umzukehren, um zu flüchten, entschloss er sich kurzerhand, das Mädchen mitzunehmen. Nicht, weil Rabanus sie heldenhaft vor dem hungrigen Koloss retten wollte, sondern weil sie ihm recht hübsch erschien und eine Abwechslung zu seinen drögen Begleitern darstellte. Aber als er ihre Taille ergriff, löste sich ein Schrei aus ihrer Kehle.
„Nicht erschrecken. Ich bringe dich in Sicherheit!“, versuchte Rabanus sie zu beruhigen und warf sie sich mit Schwung über die Schulter. Der Drache trampelte ungestüm auf die beiden zu, konnte jedoch nun nicht mehr Feuer speien, ohne auch Skiria Schaden zuzufügen.
„Ramin!“, brüllte Skiria aus Leibeskräften. „So hilf mir doch!“
Rabanus fluchte, als ihre Fingernägel sich in seinen Rücken bohrten. Er stolperte über den dicht mit Brombeerhecken überwucherten Untergrund, während Ramin problemlos die Sträucher platt trampelte. Kaum hatte Rabanus aber die Bäume erreicht, floh der Hüne durch den moosbewachsenen Wald und ließ Ramin, der verzweifelt einen Weg durch die viel zu eng beieinander stehenden Stämme suchte, hilflos zurück.
IX.
Ramins trauriges Heulen hallte schaurig durch den Wald. Verlassen stand er in der Fremde und verwünschte den Mann, der sich derart gewandt einen Weg durch das Dickicht gebahnt hatte, dass eine Verfolgung unmöglich schien. Mittlerweile mussten sich er und Skiria bereits in einiger Entfernung befinden. Zu weit weg, als dass ihm noch eine Chance blieb, die beiden einzuholen.
Erst langsam realisierte Ramin die Geschehnisse. Der Anblick seiner Mutter, die ihr Opfer bereits in den Klauen trug, die Pfeile, die plötzlich durch die Luft flogen, Ramiras Absturz und schließlich dieser Mann, der aus dem Dickicht hervorbrach und sich Skiria schnappte, bevor er ihn daran hindern konnte. Bestrebt, seine Freundin zu retten, rannte Ramin ihm nach, doch die Verfolgungsjagd endete rasch, als er versuchte, sich zwischen zwei Koboldsbäume zu drängen, die sich ihm in den Weg stellten. Unerbittlich hielten ihn die biegsamen Stämme für einen Moment gefangen, während er einen letzten Blick auf Skirias Haar erhaschte, das wie eine Fahne im Wind hinter ihrem Entführer her wehte.
Er verfluchte die Größe seines Körpers und wünschte sich in diesem Moment, klein wie eine Maus zu sein, um flink durch das Unterholz huschen zu können. Doch Ramin musste sich wohl damit abfinden, dass er solcherlei Gewandtheit auch unter größten Bemühungen nicht erreichte. Mit all seiner Kraft hatte Ramin die Hinterläufe in den Boden gestemmt, um sich damit endlich ruckartig aus seinem Gefängnis heraus zu katapultieren.
Wohin würde der Mann Skiria bringen? Ramin tröstete sich damit, dass er sie schließlich vor einem vermeintlichen Ungeheuer beschützen wollte. Gewiss klärte seine Freundin ihren Entführer über das vorliegende Missverständnis auf, sobald sie Gelegenheit dazu erhielt.
Womöglich konnte er schon in wenigen Augenblicken mit ihrer Rückkehr rechnen. Nun aber musste Ramin nach seiner Mutter suchen. Er hoffte inständig, sie nicht allzu schwer verletzt vorzufinden.
„Mutter!“
Seine flehenden Rufe blieben unbeantwortet. Erst als seine
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