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Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)

Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)

Titel: Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Rubin
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erwartete, heraus zu stürmen und ihn zu töten. Das mochte vielleicht gar nicht so übel sein, dachte er bei sich. Dann hätte der quälende Schmerz, der schier unerträglich in seiner Brust bohrte, wenigstens ein Ende.
    Er begann, seinen Kopf wild hin- und herzuwerfen, als wolle er dadurch Trauer und Angst abschütteln, die ihn schrecklich peinigten. Noch nie zuvor hatte Ramin Derartiges erlebt. Er fürchtete beinahe, dem Wahnsinn zu verfallen. Und wie Ramin so neben seiner toten Mutter stand und sein Haupt hilflos schwenkte, wirkte dieser Eindruck durchaus glaubhaft. Am liebsten hätte er seine Qual laut hinaus gebrüllt, befürchtete aber, dass ihn jemand hören könnte. Als Ramin kurz aufblickte, um sich zu vergewissern, dass kein ungebetener Gast die Einsamkeit der Nacht mit ihm teilte, bemerkte er etwas Verdächtiges: Die vom Mond beschienenen Zweige des angrenzenden Gebüsches ruckelten plötzlich heftig.
    Ein Geräusch, das Ramin als eindeutig menschlich identifizierte, da er es doch bei Skiria mehr als einmal vernommen hatte, ließ ihn zusammenzucken. „Hatschi!“
    Ramin richtete sich zu voller Größe auf, als bereite er sich auf einen Kampf vor. Beherzt trat das Tier auf den potentiellen Feind zu, der sich weiterhin feige hinter den Sträuchern verbarg. Doch als er seinen Kopf beugte, um die Zweige auseinander zu drücken, entfuhr ihm ein überraschter Laut. Denn kein schwertbewaffneter Drachenjäger kam zum Vorschein, sondern ein junger Knabe, der zusammengekauert auf dem Boden saß und nun derart jämmerlich wimmerte, dass Ramin glaubte, er sei schwer verletzt. Der Junge, den Ramins Mutter entführen wollte. Den hatte er völlig vergessen. Erleichtert stupste er den Knaben mit seiner Schnauze freundschaftlich an. Doch der gut gemeinte Aufmunterungsversuch bewirkte lediglich, dass sich das Gesicht des Jungen in eine angstverzerrte Fratze verwandelte. Aus seinen Augen quollen Tränen.
    „Bist du verletzt?“, fragte Ramin besorgt.
    Statt darauf zu antworten, rief sein Fund flehentlich: „Bitte tu’ mir nichts!“
    Er drehte Ramin jäh den Rücken zu, um durch das Gestrüpp zu flüchten, verfing sich jedoch in den Dornen, die ihn umso mehr gefangen hielten, je hektischer er sich zu befreien versuchte. Schließlich fügte sich der Knabe seinem Schicksal, ließ sich auf die Erde sinken und schluchzte lauthals los. Ramin betrachtete ihn erstaunt. Das am Boden liegende, tränenüberströmte Bündel verwirrte ihn. Litt er unter starken Schmerzen, oder ängstigte ihn der Anblick des Drachen so sehr, dass dies solche Hysterie hervorrief? Beinahe ein wenig ärgerlich setzte sich Ramin auf seine Hinterläufe und erkannte enttäuscht, dass die Menschen ihn wohl immer noch als furchterregendes Ungetüm wahrnahmen, so sehr er sich auch bemühte, einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken.
    Die Reaktion des Knaben hielt Ramin einen Moment lang für übertrieben, schließlich hatte er ihm weder ins Bein gebissen noch einen Feuerstoß versetzt, aber dann erinnerte sich Ramin an die Geschehnisse der letzten Stunden. Die geplante Entführung und der anschließende Absturz aus den Klauen Ramiras hatten gewiss ein Trauma bei dem Jungen hinterlassen. Vermutlich war er bis eben bewusstlos gewesen.
    Bemüht, freundlich zu wirken, wandte er sich dem Knaben zu, der sein Heulen unterbrach und seine Augen weit aufriss, um mit ihnen furchtsam jede Regung des Drachen in sich aufzusaugen. Ramin räusperte sich, oder gab zumindest ein Geräusch von sich, das dem menschlichen Räuspern sehr nahe kam.
    „Hab keine Angst! Ich bin ein Freund.“
    Während das Knabengesicht jetzt den Eindruck vermittelte, es bestünde scheinbar ausschließlich aus Augen, hoffte Ramin, ihn von seiner Harmlosigkeit überzeugen zu können. Langsam klappte der Mund des Jungen auf. Röchelnd fragte er: „Du willst mich am Leben lassen?“
    Ramin verlor nun beinahe die Geduld.
    „Sehe ich denn so aus, als würde ich Menschenjungen fressen?“
    Mit eingezogenen Schultern deutete der Knabe ein zaghaftes Nicken an, das sich sogleich in heftiges Kopfschütteln wandelte, als Ramin ihn mit ungehaltenen Blicken strafte. Doch dann gestand sich Ramin ein, dass der Junge wohl Recht hatte und beschloss, nachsichtig mit dem neuen Kameraden umzugehen. Um seine guten Absichten zu unterstreichen, trat die Riesenechse einen Schritt zurück, sodass nun etwa eine halbe Drachenlänge zwischen ihnen lag. Der Junge überlegte, wie er sich verhalten sollte. Einige Atemzüge

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