Sklaven der Begierde
so vorbei, und schließlich fanden sich beide auf dem nun makellosen Boden der Hütte wieder. Kingsley nackt, Søren bekleidet. Kingsley lächelnd, Søren darum bemüht, nicht zu lächeln.
Als sie beide nebeneinanderlagen und an die Decke starrten, griff Kingsley zwischen sie und tastete nach Sørens Hand. Er fand sie neben seiner Hüfte, drückte seine Finger aber nur leicht dagegen. Denn obwohl Søren noch vor kaum einer Minute in ihm gewesen war, wäre es ihm jetzt anmaßend erschienen, seine Hand zu halten.
„Ich glaube, es gefällt mir hier“, verkündete er. „Höllenloch – peut-être . Aber immerhin ist es unser Höllenloch.“
Søren lächelte jetzt endlich doch. „Wenn wir damit fertig sind, wird es nicht mehr so schlimm sein. Wir können ein Gitterbett und eine saubere Matratze aus der Schule herbringen. Davon stehen Dutzende im Lager herum.“
„Der Boden ist doch völlig okay.“
Søren schüttelte den Kopf. „Auf dem harten Untergrund könnte ich dich ernsthaft verletzen. Ich will, dass du es bequem hast. Und wir müssen hier vielleicht manchmal übernachten.“
Kingsley hob die Brauen. „Müssen oder wollen?“
Søren drehte sich zu ihm herum und schaute ihn an. „Beides.“
Kingsley beschloss, dass „beides“ ab sofort sein Lieblingswort war. Eben war er noch zu verschüchtert gewesen, um Sørens Hand zu halten. Aber jetzt richtete er sich auf und küsste ihn. Søren bewegte sich nicht, reagierte nicht einmal.
„Küss mich zurück, du verfluchter Katholik“, murmelte Kingsley gegen seine Lippen.
Søren lachte, gab dann aber nach und erwiderte den Kuss, erst sanft, dann mit wiedererwachter Leidenschaft. Sekunden später hatte er Kingsley erneut auf den Rücken geworfen. Die scharfkantigen Bohlen bohrten sich in seine Haut, aber Kingsley genoss das Unbehagen und schwelgte in dem Schmerz. Das war sein Leben. Schmerz, Sex, Angst, Sünde … Er dachte, dass er an dem Tag gestorben war, als seine Eltern eingeäschert wurden. Aber mit Søren entdeckte er ein neues Leben, eines, das er nicht gefunden hätte, wenn seine Eltern nicht gestorben wären.
„Bitte …“, flehte er. „ S’il vous plaît . Ich will dich …“ Er sprach französisch und englisch gleichzeitig, und sie küssten sich wieder. Er hungerte nach Sørens Körper und nach dem Moment der Vereinigung, der immer dann kam, wenn die Schläge endeten.
Søren zog sich zurück und sah ihn an. Dann berührte er Kingsleys Lippen mit seinen Fingerspitzen. „Ich kann nicht.“
Seufzend rollte er sich auf den Rücken. Wieder lagen sie Seite an Seite und starrten an die Decke. Søren war ganz still, Kingsley keuchte vor unerfüllter Sehnsucht.
„Das meinst du wirklich so. Du kannst nicht …“ Kingsley sprach den Satz nicht zu Ende. Er hatte Søren schon geglaubt, als der ihm in jener Nacht draußen vor den Schlafsälen gestanden hatte, dass er nur dann erregt wurde, wenn er vorher Schmerzen zufügen konnte. Aber dieser Kuss eben, dieser unglaubliche Kuss – kein Mann konnte so küssen, ohne dass sein Körper reagierte.
„Nein. Vor langer Zeit ist etwas in mir zerbrochen. Es wird niemals heilen. Verzeihst du mir?“
„Non . Ich meine, nein, du bist nicht zerbrochen. Du bist nur anders. Ich muss auch anders ein, denn es macht mir nichts aus. Und ich mag den Schmerz.“
„Du bist anders.“
„Vive la différence, oui?“
„Oui.“ Søren lachte leise. „Vive la différence.“ Ein Hoch auf die Unterschiede!
„Glaubst du, dass es … vielleicht … irgendwo da draußen andere wie uns gibt? Oder ist das bloß in den Büchern von de Sade so?“
Søren atmete heftig aus. „Ich glaube, es muss andere wie uns da draußen geben.“
„Was für eine beängstigende Vorstellung.“ Kingsley lächelte.
„Ja, schrecklich.“ Søren schien der Gedanke zu gefallen, Kingsley ebenfalls.
„Eines Tages werde ich sie finden“, versprach Kingsley. „Und ich werde sie dir schenken. Tausende Menschen werden dir zu Füßen liegen, wann immer du sie willst.“
„Tausende würde ich gar nicht brauchen.“
„Dann nur einen. Wir sollten ein Mädchen haben, du und ich. So zur Abwechslung.“
„Ein Mädchen wäre nett.“
„Maria oder Maria Magdalena?“, erkundigte sich Kingsley mit teuflischem Grinsen.
„Maria Magdalena, natürlich. Das war für mich immer die interessantere Maria.“
„Und wie würde unsere Maria Magdalena aussehen?“
„Sie darf nicht blond sein“, erklärte Søren. „Und sie darf auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher