Sklaven der Begierde
der gesamte Untergrund sprach mit Ehrfurcht davon. Doch in diesem Moment verfluchte er die Höhe des Dings. Jeder Zentimeter, den er sich fortbewegen musste, fühlte sich an wie eine Meile. Eine sehr schmerzensreiche Meile.
Sei verdammt, mon père . Kingsley seufzte und lächelte. Zur Hölle mit dir .
Als er seinen Kopf gerade aufs Kissen sinken lassen wollte, klopfte es an der Tür.
„Arrête!“ , rief er müde. Seine Kraft reichte gerade noch für das eine Wort.
„Monsieur? S’il vous plaît …“ Das war Sophias Stimme hinter der Tür. Oder war es Cassandra? Irgendwie klangen sie dieser Tage alle gleich. Keine Frau war mehr wichtig, außer Juliette, und die hatte er nach Haiti geschickt, damit sie in Sicherheit war. Wovor, darüber wollte er jetzt nicht nachdenken.
„Was ist denn?“, rief er und zog eines der leichten Seidenlaken über seinen nackten Körper. Sogar das tat weh. Morgen – morgen würde er Schmerzmittel nehmen, jede Menge davon. Heute Nacht würde er die Schmerzen genießen, die Søren ihm zugefügt hatte. Er würde sein Geschenk ehren. Er schloss die Augen.
„Les chiens , Monsieur.“
Kingsley riss die Augen wieder auf. Die Hunde? Das letzte Mal, als jemand der Hunde wegen zu ihm gekommen war, war die Nacht gewesen, in der Noras Akte aus seinem Büro gestohlen wurde. Der Dieb war in das Stadthaus eingebrochen, hatte seine berüchtigten Rottweiler betäubt und die Unterlagen mitgenommen. Hatte etwa schon wieder jemand die Hunde außer Gefecht gesetzt …
Trotz seiner Schmerzen rollte Kingsley sekundenschnell aus dem Bett, zog Hose und Hemd an und lief zur Tür.
Er öffnete sie und stand vor der kleinen rothaarigen Sophia, seiner Nachtsekretärin. Ihr Gesicht war totenblass.
„Was ist?“
Sie antwortete nicht.
„Mon dieu …“ , fluchte er und folgte ihr den Flur entlang.
Sie rannte die Treppe hinunter, und er versuchte so gut es ging, mit ihr Schritt zu halten. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, vor dem Personal Schwäche zu zeigen. Also biss er die Zähne zusammen und bewegte sich vorwärts.
Am Fuß der Treppe liefen Brutus, Dominic und Max winselnd hin und her. Er streckte die Hand nach Max aus und streichelte seine warme Schnauze.
„Sadie?“, rief er. Sophia wandte sich mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihm um. Sie deutete mit dem Finger auf den hinteren Teil des Raums.
In der dunklen Ecke konnte Kingsley einen schwarzen Schatten erkennen. Er ging darauf zu, und der Schatten nahm die Form eines Hundes an.
Sadie – seine kleine Hundedame lag bewegungslos auf den weißen Kacheln. Aus einer Wunde in ihrer Brust tropfte Blut. Er streckte die Hand aus und berührte das Blut. Sie war ins Herz gestochen worden.
„Oh, ma fille …“ , flüsterte er und streichelte ihr Fell. An der Wand hinter ihr entdeckte er fünf Wörter, mit Blut geschrieben. Nur fünf. Und keines dieser fünf Wörter war ein Name. Doch sobald er sie las, wusste er, wer seinen Hund getötet und wer Noras Akte gestohlen hatte, wer ihm das Foto geschickt und Sørens Bett verbrannt hatte.
„Sophia?“
„Oui , Monsieur?“
„Ruf Griffin Fiske an. Und sollte er versuchen, sich damit herauszureden, dass er mit seiner neuen großen Liebe immer noch in den Flitterwochen ist, sag ihm, dass er im gesamten Untergrund Persona non grata sein wird, wenn er sich nicht morgen Mittag um zwölf in meinem Schlafzimmer einfindet.“
„Oui. Bien sûr.“
Sophia rannte davon. Kingsley blieb mit den drei Rottweilern zurück, die um ihre einzige Schwester trauerten. Er konnte nachvollziehen, wie sie sich fühlten.
Er starrte auf die Schrift an der Wand. Christian hatte recht gehabt – mit allem.
Alles, was Søren von Kingsley wollte, war, herauszufinden, wer hinter den Attacken auf sie steckte. Und nun wusste Kingsley, wer es war.
Er wusste es, und er würde es niemals sagen.
SÜDEN
Nora wachte neben Wesley auf. Zwischen ihnen lagen nur ein paar Zentimeter Laken und vierzehn Jahre. Im Licht des frühen Morgens kam Wesley ihr wie ein Fremder vor.
Wohin war bloß ihr kleiner Junge verschwunden? Der Junge, der ihr in Connecticut wie ein Welpe durch Haus gefolgt war und ihre Termine heruntergerasselt hatte, alles, was sie in dieser oder jener Woche unbedingt erledigen müsste, weil sie sonst wegen Steuerhinterziehung eingesperrt würde oder ihr Eigenheim räumen müsste, weil sie versäumte, die Hypothekenrate zu zahlen, oder verhungern würde … Wo war dieser Junge bloß? Ihr Wes mit den schönen
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