Sklaven der Begierde
Fohlen wollte sich nicht bewegen, und er fürchtete, dass eines der zerbrechlichen Beine bereits im Mutterleib Schaden nehmen könnte.
„Na komm schon, meine Schöne“, sagte Nora. „Lass ihn gehen. Könntest du vielleicht doch ein bisschen pressen? Tu’s für mich.“ Sie pustete der Stute direkt ins Gesicht, und „Track Beauty“ zuckte. Das sorgte in ihrem Bauch für gerade so viel Bewegung, dass Wesley die beiden Knöchel endlich herausziehen konnte. Er riss die Plazenta auf und wickelte ein Handtuch um die Beine des Fohlens.
Dann atmete er tief durch und fing an, rückwärts zu gehen. Dabei zog er das kleine Pferd mit sich. Er musste all seine Kraft aufwenden, um keines der glitschigen Beinchen loszulassen, und gleichzeitig all sein Feingefühl, um nicht so fest zuzupacken, dass die hauchzarten Knochen in seiner Hand zerbrachen. Nach einer letzten Anstrengung kam endlich der Kopf des Fohlens heraus, mit mehreren Litern Flüssigkeit und der Nachgeburt.
Dr. Fischer und sein Vater eilten mit Spritzen und Handtüchern herbei. Sie kümmerten sich um das Fohlen, und Wesley sah nach Nora und der Stute.
„Das war doch gar nicht so schlimm, oder?“ Nora rieb Wesleys Arme mit einem Handtuch trocken.
„Ein bisschen widerlich, aber nicht wirklich schrecklich.“
„Widerlich? Hör nicht auf ihn, meine Schöne. Du hast eine hübsche Vagina, und wenn du immer brav deine Kegelübungen machst, bist du ganz bestimmt schnell wieder in Topform.“
Wesley konnte nicht widerstehen. Er lehnte sich vor und gab Nora einen Kuss, unter den missbilligenden Blicken seines Vaters. Doch jegliche Missbilligung verschwand aus seinem Gesicht, als das Fohlen sich zittrig um aufrechte Haltung bemühte.
„Wow. Die fangen aber schnell an zu laufen.“ Nora kicherte, als das Fohlen sich auf die dünnen Beinchen hievte und sofort wieder umfiel. Kichern? Nora Sutherlin kicherte? Wesley konnte es gar nicht fassen. Er hatte sie schon tausendmal lachen hören, aber niemals so selig kichern wie ein kleines Mädchen. Doch es stimmte schon, die verzweifelten Stehversuche des Neugeborenen waren gleichzeitig unglaublich lustig und ein bisschen mitleiderregend.
„Das ist ein echter Kämpfer“, sagte Wesleys Vater, als das Fohlen es endlich schaffte und auf allen vieren dastand. Er ließ seine Hand prüfend über das Fell des Kleinen gleiten, um festzustellen, ob irgendetwas nicht so perfekt war, wie es sein sollte. Aber mit „Track Beauty“ als Mutter und „Farewell To Charms“ als Vater konnte das Fohlen eigentlich gar nichts anderes sein als ein Wundertier. „Wie wollen wir den Kleinen denn nennen?“
„Nora sollte den Namen aussuchen, schließlich war sie bei seiner Geburt dabei. Alle Rails-Pferde kriegen ihre Namen von Frauen. Das bringt Glück.“
„Na ja, ich habe schon vielen besonderen Persönlichkeiten einen Namen gegeben“, sagte sie. „Und dieser kleine Kerl hier sieht ganz so aus wie ein echter Star.“
Wesley und Nora sahen zu, wie das Fohlen seine ersten, wackeligen Schritte machte. Zwei vorwärts, einen zurück. Und noch einen zurück.
Wesleys Dad unterdrückte einen Fluch und stöhne leise auf, als der kleine Huf direkt auf seinem Zeh landete. „Na großartig. Ein Fußtreter.“ Jackson lachte und klopfte dem Fohlen zart auf den winzigen Kopf.
„Na, dann wissen wir ja, wie er heißen soll.“ Nora grinste Wesley an. Ihr herausforderndes Lächeln rief ihm den Tag in Erinnerung, an dem sie zum ersten Mal reiten waren. Wesley hatte sich einen großen Fuchshengst ausgesucht, der „Bastinado“ hieß. Er hatte sich bei dem exotischen Namen nichts weiter gedacht, bis Nora fragte, ob das Pferd oft auf Füße trat. Das Stallmädchen hatte das bestätigt, und Nora erklärte ihm, dass „Bastinado“ ein vornehmer Ausdruck für Fußfolter war.
„Das Fohlen heißt ‚Bastinado‘“, sagte Wesley. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Name noch nicht vergeben ist.“
Nora kniete sich neben den kleinen „Bastinado“ und streichelte sein Gesicht. Wes hatte schon lange kein so niedliches und zierliches Fohlen mehr gesehen. Aber sein Dad, „Farewell To Charms“, war anfangs auch ein kleiner Kerl gewesen, und dann war er zum langbeinigsten Monster aller Zeiten herangewachsen.
„Ich liebe ihn. Ich werde ihn behalten.“ Nora küsste das junge Pferd auf die Nase. „In meinem Haus. Ich habe ein großes Bett. Da passt er rein.“
„Lady, wissen Sie eigentlich, was das Tier wert …“, polterte Wesleys
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