Sklaven der Begierde
sie verliebt?“, wiederholte Christian. „Kingsley, wir waren alle in sie verliebt.“
SÜDEN
Sobald sie im Haus waren, warf Nora ihren Laptop an und holte ihr Handy hervor. Aus irgendeinem Grund ging Kingsley nicht an sein privates Telefon. Und von seiner Assistentin wurde sie nur diplomatisch abgewimmelt. Dabei war Kingsley genau der Mann, den sie jetzt brauchte.
„Nora, lass es gut sein“, sagte Wesley, als sie zum zehnten Mal Kingsleys Nummer wählte.
„Er muss einfach rangehen.“ Sie drückte noch einmal auf Wahlwiederholung. „Das ist sein verdammtes Privathandy. Ich habe dem Mann schon wer weiß wie oft beim Ficken zugehört, weil er da immer rangeht, egal, was er gerade macht.“
„Hör auf, ihn anzurufen. Falls ‚Spanks‘ tatsächlich an einem Stromschlag gestorben ist, werden die Ermittler das rausfinden und den Verantwortlichen bestrafen.“
„Aber das ist Talels Pferd.“ Sie drehte sich zu Wesley um, der auf der Kante seines Bettes saß und auf Nora, die sich zu seinen Füßen niedergelassen hatte, herabblickte. „Ich kenne ihn. Er könnte keiner Fliege etwas zuleide tun und würde einem Pferd niemals einen elektrischen Schlag versetzen.“
Wesley stand auf und stellte sich vor sie. „Nora, ich weiß, dass er ein Freund von dir ist, und das ist auch gut und schön. Aber Pferderennen sind ein hartes Geschäft. Es ist brutal, gefährlich und schmutzig.“
„Aber Talel …“ Nora scrollte durch ihre Kontakte. Irgendwo hier musste doch Talels Nummer sein. Sie musste ihm von ihrem Verdacht erzählen. Sie kannte ihn, sogar im biblischen Sinne. Er brauchte Schmerzen, das war seine sexuelle Vorliebe. Aber Schmerzen zufügen? Nie und nimmer. Sie weigerte sich, so etwas auch nur zu denken.
„Talel ist ein millionenschwerer Pferdebesitzer und steht auf SM, so wie alle deine Freunde. Er ist kein Heiliger, verstehst du? Weißt du, woran man erkennen kann, ob eine Vollblutstute schon gedeckt wurde?“
„Nein. Woran?“
„An den Narben und Nähten unter ihrer Vagina. Tatsache. Sie schneiden die Stute auf, damit sie mehr Hengst in sich aufnehmen kann. Nach dem Deckakt wird sie wieder zugenäht. Dann beim nächsten Mal wieder aufgeschnitten. Und wieder zugenäht. Und wieder aufgeschnitten. Wieder und wieder.“
Nora hielt sich voller Abscheu die Hand vor den Mund. „Du willst mich doch …“
„Auf den Arm nehmen? Keineswegs. Ich habe es selbst gesehen. Das gehört einfach zu der Scheiße, die im Sport der Könige fabriziert wird. Dein bester Kumpel ‚Spanks‘ hätte locker noch dreißig Jahre oder mehr leben können. Aber entweder wollte jemand das Versicherungsgeld für ihn einstreichen, oder jemand wollte noch ein paar Siege aus ihm herausholen, um die Decktaxe zu erhöhen. Du siehst ein Pferd, ein Haustier. Talel und alle anderen Besitzer sehen Dollarzeichen. Jede Menge Dollarzeichen. Für sie sind Pferde nichts anderes als Rennwagen. Wenn’s einen Crash gibt, rufen sie die Versicherungsgesellschaft an und kriegen einen Scheck. Das mag dir nicht gefallen, aber so ist es. Mir gefällt es auch nicht.“
Noras Magen krampfte sich zusammen. „Rennwagen sind nicht lebendig. Sie können keinen Schmerz fühlen. Sie …“
„Jetzt weißt du also, warum ich keine Lust habe, in das Familienbusiness einzusteigen.“
„Oh ja, das kann ich ziemlich gut nachvollziehen. Es tut mir leid, Wes. Es ist nur, Talel und ich kennen uns schon lange, und er ist ein guter …“
„Du hast mit ihm geschlafen, stimmt’s?“
Seine Stimme klang nicht ärgerlich oder vorwurfsvoll. Nur traurig. Ihr wäre es tausendmal lieber gewesen, wenn er sie eine Nutte genannt hätte, wie sein Vater.
„Ja, das habe ich. Vor ein paar Jahren. Dann hat er mir den Aston Martin geschenkt.“
Einen Moment lang sagte Wesley nichts. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. Nora hatte ihn selten so ernst und still erlebt. Als sie zusammenlebten, war er immer fröhlich gewesen, hatte Scherze gemacht und sie ununterbrochen geneckt. Und sie hatte sich in seiner Aufmerksamkeit gesonnt. Aber Wesley war kein Teenager mehr. Er hatte ihr gestanden, dass er sie immer noch liebte, dass auch die fünfzehn Monate der Trennung nichts an seinen Gefühlen geändert hatten. Und er hatte die Chance gehabt, mit seiner schönen und ebenfalls älteren Freundin ins Bett zu gehen, und darauf verzichtet, ihr zuliebe. Das war kein verknallter Schuljunge mehr, das war ein Mann, der sie mit ganzer Seele liebte. Wesley liebte sie. Und sie
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