Sklaven der Begierde
hatte für ihn ihr Halsband abgelegt und Søren verlassen. Sie wusste nicht, für wie lange. Aber Søren hatte ihr verboten, ihn zu verlassen. Kaum hatte er sie aus den Augen gelassen, hatte sie ihre High Heels abgestreift und war so schnell ihre Füße sie tragen konnten zu Wesley gerannt. Zu dem Mann, den sie liebte.
Ob sie wollte oder nicht.
„Wesley?“
„Ach Nora“, sagte er mit einem schwachen Lächeln. „Ich könnte dir so viele Aston Martins kaufen, wie du willst.“
Sie warf ihr Handy zur Seite, stellte ihren Laptop auf den Boden und stand auf. Doch als sie die Arme nach ihm ausstreckte, trat er einen Schritt zurück.
„Ich gehe die Welse füttern. Bin gleich wieder da.“
Nora blickte ihm entgeistert nach. „Die Welse füttern?“, wiederholte sie ratlos.
Sie wollte ihm gerade nachlaufen, als ihr Telefon klingelte – Ravels „Bolero“ erfüllte den Raum.
„King, Gott sei Dank. Ich habe schon den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen. Na ja, jedenfalls seit fünf Minuten. Wo zum Teufel steckst du?“
„In Maine, ma chérie“ , antwortete er in seinem lässigsten Tonfall. „Ich sehe an meiner Anrufliste, dass du es dauernd versucht hast. Wie sehr vermisst du mich denn?“
„Kein verdammtes bisschen. Aber ich vermisse deine ausgezeichneten Verbindungen. Rate mal, über wen ich heute gestolpert bin?“
„Talel.“
Nora streckte die Hand aus und starrte einen Moment auf ihr Telefon, bevor sie es wieder ans Ohr legte. „Ich hasse es, wenn du das tust. Wenn du mehr über mein Leben weißt als ich.“
„Ich passe eben auf, was vor sich geht, ma chérie . Du hingegen schreibst Bücher und lebst in deiner eigenen Welt.“
„Touché . Jedenfalls ist sein Pferd tot. Es könnte sein, dass ihm jemand einen Elektroschock versetzt hat. Und ich glaube nicht, dass …“
„Chérie …“ Kingsley atmete heftig aus, und Nora hörte etwas in seiner Stimme, was sie nur extrem selten zu hören kriegte: Frust. „Ich fürchte, dass der Tod eines Pferdes im Augenblick meine geringste Sorge ist. Dein Priester und ich haben ganz andere Probleme. Lass den Vorfall ruhen, Maîtresse . Es ist zu deinem eigenen Besten. Es ist nur ein Pferd. Sie machen sich sehr gut als Hauptspeise. Oder Zwischengang.“
„Aber …“
„Nora?“
„Ja?“
„Damit musst du selbst klarkommen.“
Und nach diesen wenig hilfreichen Worten legte Kingsley auf.
Nora starrte noch für ein paar Sekunden auf ihr Handy, dann warf sie es auf den Boden und rannte Wesley hinterher.
Die Welse füttern? Hieß das womöglich, dass er tatsächlich … die Welse fütterte?
Vor dem Gästehaus blieb sie stehen und ließ ihren Blick schweifen. Wo zum Teufel war Wesley? Sie entdeckte hinter dem Haus einen kopfsteingepflasterten Weg und beschloss, ihm zu folgen. Während sie kräftig ausschritt, dachte sie über die letzten paar Tage mit Wesley nach. Irgendwie war alles perfekt gewesen und gleichzeitig ein heilloses Durcheinander.
In den ersten gemeinsamen Stunden hatten sie nichts anderes gemacht, als zu reden. Sie ließen alles, was in den vergangenen fünfzehn Monaten passiert war, Revue passieren. Fünfzehn Monate hatten sie getrennt, nachdem sie sich im Weißen Zimmer des achten Zirkels umarmt hatten, aber als die Stunden dahingingen und sie einander eine Geschichte nach der anderen erzählten, schloss sich die Lücke in ihrer Beziehung wie von selbst. Nora hatte Wesley von ihrer Rückkehr zu Søren erzählt und wie seltsam die ersten Wochen gewesen waren, als sie plötzlich wieder sein Besitz gewesen war. Wie sie sich, unter den bestürzten Blicken des ganzen Clubs, zum ersten Mal wieder zusammen im achten Zirkel gezeigt hatten und sie ihr weißes Halsband trug. Sie hatte sich so unbehaglich gefühlt, immerhin war sie hier Mistress gewesen, und nun tauchte sie erneut als Sørens Sub auf. Wie tief war sie gesunken … Aber dann hatte sie gesehen, wie Geld die Besitzer wechselte, wie Menschen einander begeistert abklatschten, und hörte, wie sie „Ich hab’s doch gesagt“ oder „Na also, hab ich’s doch gewusst“ raunten. Die Leute hatten Wetten abgeschlossen, wann sie wieder zu Søren zurückkehren würde. Dabei war nie die Frage gewesen, ob sie sich ihm wieder unterwerfen würde. Nur wann.
Wesley hatte ihr erzählt, was in seiner Welt vor sich gegangen war, nachdem er aus ihrem Haus ausgezogen und zurück nach Kentucky gegangen war. Nämlich nichts, oder jedenfalls nichts Besonderes, wie er sagte. Er hatte das Schuljahr
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