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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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als ein Job in der Fabrik für lumpige zehn Units die Woche. Sieh mal, Rara, wie will Geryn die Entführung …«
    »Still!« herrschte Rara sie an.
    »Und selbst wenn es ihm gelingt, was soll es nützen? Er ist ja nicht der König.«
    »Ich verstehe euch nicht«, sagte Tel.
    »Das ist auch gut«, erwiderte Rara. »Und wenn du weiterhin bei uns bleiben willst, dann versuche gar nicht, es zu verstehen.«
    »Wir können dir soviel verraten«, meinte Alter. »Der Mann, in dessen Kneipe wir wohnen, hat einen Plan ausgeheckt. Nun ist er allerdings ein wenig verrückt. Er spricht beispielsweise immer mit sich selbst. Aber er braucht jemanden, der nicht in der Stadt registriert ist. Wenn er nun glaubt, du wärst der Richtige, bekommst du das Essen und einen Schlafplatz umsonst. Früher war er Gärtner auf dem Inselbesitz der Herzogin Petra. Aber er trank zuviel, und wahrscheinlich mußte er deswegen gehen. Er behauptet zwar, sie würde ihm immer noch Botschaften hinsichtlich des Planes schicken, aber …«
    »Jetzt reicht es«, sagte Rara.
    »Er wird es dir schon selbst erzählen«, sagte Alter. »Weshalb hast du dich heimlich auf das Schiff geschlichen?«
    »Ich konnte das Leben daheim nicht mehr aushalten. Wir fingen den ganzen Tag über Fische und mußten sie dann am Strand verfaulen lassen, weil wir nur ein Fünftel davon verkauften – und manchmal überhaupt nichts. Einige Leute gaben auf; andere glaubten, daß sich alles zum Guten wenden müsse, wenn sie nur schwer genug schufteten. Mein Vater gehörte wohl zu denen. Er dachte, wenn er viel arbeitete, müßte einfach jemand kaufen. Aber niemand tat es. Mutter konnte gut weben, und davon lebten wir. Schließlich hatte ich das Gefühl, daß ich mehr aß, als ich wert war. Also ging ich.«
    »Einfach so, und ohne Geld?« fragte Rara.
    »Einfach so.«
    »Armer Junge!« Mit einer Geste mütterlicher Fürsorge legte ihm Rara den Arm um die Schulter.
    »Au!« rief Tel und zuckte zusammen.
    Rara zog den Arm zurück. »Was ist?«
    »Ich – ich habe mich da verletzt«, sagte der Junge und strich sich vorsichtig über die Schulter.
    »Verletzt? Wie?«
    »Mein – Vater – er hat mich mit dem Lederriemen geschlagen.«
    »Ah«, meinte Rara. »Allmählich kommt es an den Tag. Nun, aus welchen Gründen du auch weggelaufen bist, das ist deine Sache. Außerdem hat man meist mehrere Gründe, wenn man eine Entscheidung trifft. Beeil dich ein wenig, dann erreichen wir Geryns Kneipe noch zur Mittagszeit.«
    »Ich dachte, wenn ich mich an Bord stehlen könnte«, fuhr Tel fort, »müßten sie mich in der Stadt laufen lassen, auch wenn ich kein Geld hätte. Ich hatte keine Ahnung, daß ich Papiere brauchen würde. Und als ich in der Reihe wartete, überlegte ich mir, wie ich dem Mann am Schreibtisch alles erklären würde. Ich bildete mir sogar ein, daß er mir Papiere geben würde, wenn ich ihm meine Muscheln schenkte. Aber der Mann vor mir hatte irgendein Papier falsch ausgefüllt, und sie erklärten ihm, er müsse zurück aufs Schiff und zum Festland. Er wollte ihnen echtes Geld geben und hatte es sogar schon aus der Tasche geholt, aber sie packten ihn und brachten ihn weg. Da rannte ich los und sprang über den Zaun. Ich wußte nicht, daß die anderen alle folgen würden.«
    »Wahrscheinlich stimmten bei den wenigsten die Papiere. Oder sie waren gefälscht. Deshalb rannten sie davon.«
    »Du bist zynisch, Tante Rara.«
    »Ich kenne das Leben.«
    Sie kamen um die Ecke, und die grünen Augen des Jungen wurden groß, als er die Türme des Palasts in den blauen Dunst ragen sah. Sie erhoben sich über die Dächer der Villen und Mietshäuser und Elendshütten.
    Tel versuchte sich die verwinkelten Gassen einzuprägen, aber es gelang ihm nicht. Zwei widersprüchliche Eindrücke machten sich in seinem Innern breit: er hatte das Gefühl, von diesen winzigen, engen Gassen erdrückt zu werden, in denen manchmal kaum zwei Menschen nebeneinander gehen konnten. Andererseits erschien ihm die Stadt gigantisch. Er versuchte Alter zu erklären, was er fühlte, aber nachdem er eine Zeitlang vor sich hingestammelt hatte, schüttelte sie lächelnd den Kopf.
    »Nein, ich verstehe dich nicht. Was meinst du?«
    Ganz plötzlich sah er das Meer vor sich. Der gelbe Strand, die schwarzweißen Felsen, an denen Muscheln und Schnecken klebten, die blaugrünen Finger des Seetangs, die sich im Sand verkrallten, wenn die Wellen zurückliefen. Tel blinzelte und betrachtete durch einen Tränenschleier die graue Stadt.

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