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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Stille heraufbeschwor. »Ihr müßt auf meiner Seite sein. Heute abend soll alles stattfinden. Ich habe – ich habe es geplant.« Die Leute schwiegen und brüllten dann von neuem los. »Heute abend«, wiederholte Geryn, obwohl ihn kaum jemand verstehen konnte. »Ich habe es geplant. Nur – ihr müßt auf meiner Seite sein.«
    Tel runzelte die Stirn, und Alter schüttelte den Kopf. Der alte Mann hatte einen Moment lang die Augen geschlossen. Rara legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du machst dich noch ganz krank mit dem vielen Geschrei. Ich bringe dich jetzt auf dein Zimmer.«
    Als sie ihn zur Treppe führte, stand der narbige Hüne vom Tisch auf, sah Geryn in die Augen und trank sein Glas leer.
    Geryn nickte, sog den Atem pfeifend durch die Zähne und ließ sich von Rara die Treppe hinauf geleiten. Tel und Alter folgten ihnen. Der Lärm an der Bar wurde immer ungestümer.
     

 
4.
     
    Sie schrieb ein paar Zeilen in ihr Notizbuch, legte den Rechenschieber zur Seite und befestigte eine Perlenschnalle an der Schulter ihres weißen Kleides. »Madame, darf ich Sie jetzt frisieren?« fragte die Zofe.
    »Einen Augenblick noch.« Clea schlug Seite 328 ihrer Logarithmentabelle auf, sah nach, wie sich Subkosinus A plus B von der n-ten Wurzel A plus B bis nach n verhielt, und trug die Zahl in ihr Notizbuch ein.
    »Madame?« fragte die Zofe. Sie war ein schmales Geschöpf um die dreißig. Der kleine Finger ihrer linken Hand fehlte.
    »Du kannst jetzt anfangen.« Clea lehnte sich auf der Kosmetikliege zurück und nahm das volle, dunkle Haar zu einem Schopf hoch. Die Zofe hielt mit einer Hand die Locken fest und griff nach der vier Meter langen Silberkette, in die abwechselnd Perlen und Diamanten gefädelt waren.
    »Madame?« fragte die Zofe wieder. »Worüber denken Sie nach?«
    »Ich versuche die subtrigonometrischen Umkehrfunktionen zu bestimmen. Dalen Golga, mein Mathematikprofessor an der Universität, hat die normalen Funktionen entdeckt, aber bisher kam noch niemand auf die Umkehrfunktionen.«
    »Oh«, sagte die Zofe. Sie verflocht die Kette mit dem dunklen Haar, hielt einen Moment ein und zog einen Kamm unter die Locken, die Clea bis auf die Schultern fielen. »Äh – was wollen Sie damit anfangen, wenn Sie die Dinger finden?«
    »Um die Wahrheit zu gestehen – au!«
    »Oh, Verzeihung, Madame. Es tut mir leid …«
    »Um die Wahrheit zu gestehen, sie sind ziemlich nutzlos. Zumindest sieht es im Augenblick noch ganz so aus. Sie existieren sozusagen in einer Welt, die wenig mit der unseren zu tun hat. Wie die Welt der imaginären Zahlen, der Wurzel aus minus Eins. Eines Tages finden wir vielleicht eine Anwendung dafür, so wie uns die imaginären Zahlen dabei helfen, Wurzeln aus Gleichungen höheren Grades als zwei zu berechnen; denn Kosinus Theta plus I Sinus Theta ist gleich e hoch I Sinus Theta …«
    »Madame?«
    »Nun, jedenfalls gelang es bisher nicht, etwas ähnlich Brauchbares mit den subtrigonometrischen Funktionen anzustellen. Aber sie machen Spaß.«
    »Den Kopf etwas nach links, Madame«, sagte die Zofe nur.
    Clea gehorchte.
    »Sie werden wunderbar aussehen.« Vier Finger und fünf Finger strichen geschickt durch ihr Haar. »Einfach herrlich.«
    »Hoffentlich kann Tomar kommen. Ohne ihn wird das Fest langweilig.«
    »Aber hat sich denn nicht der König angemeldet?« fragte die Zofe. »Ich habe selbst das Antwortschreiben gesehen. Auf ganz schlichtem Papier. Sehr elegant.«
    »Meinem Vater bereitet das sicher mehr Freude als mir. Der König ging mit meinem Bruder zur Schule, bevor – er gekrönt wurde.«
    »Erstaunlich«, sagte die Zofe. »Waren sie Freunde? Überlegen Sie doch, das müssen Sie wissen!«
    Clea zuckte mit den Schultern.
    »Oh, und haben Sie den Ballsaal gesehen?« fuhr die Zofe fort. »Die Vorspeisen bestehen aus echtem, importiertem Fisch. Man sieht es genau, denn die Aquarienfische Ihres Vaters sind größer als die Meeresfische.«
    »Ich weiß«, sagte Clea lächelnd. »Eigentlich ist es komisch, daß ich noch nie im Leben Fische aus den Aquarien von Vater gegessen habe. Sie sollen sehr gut schmecken.«
    »Oh, das stimmt, Madame. Sie schmecken gut. Ihr Vater ist ein edler Mann, daß er so große, gute Fische züchtet. Aber Sie müssen zugeben, daß an den Fischen von der Küste etwas Besonderes ist. Ich habe auf dem Weg durch die Speisekammer einen gekostet. Daher weiß ich es.«
    »Und worin liegt nun der Unterschied?« fragte Clea und drehte sich um.
    Die Zofe runzelte die Stirn und

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