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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Lächeln.
    »Ich habe Sie seit Ihrer Schulzeit nicht mehr gesehen.«
    Wieder lächelte der König, diesmal ziemlich schwach. Koshar sprach schnell weiter.
    »Aber ich möchte Ihnen gern meine Tochter vorstellen, denn es ist ihr Fest. Clea –« Der alte Mann wandte sich den Galeriestufen zu, und die Menge folgte seinem Blick.
    Sie stand auf der obersten Stufe, in einem Kleid aus weicher, weißer Seide, das an den Schultern mit Perlspangen befestigt war. Das schwarze Haar fiel in lockeren Wellen über eine Schulter und war durchflochten von einer Schnur aus Perlen und Diamanten. Die Arme leicht angewinkelt, so kam sie die Treppe herunter. Die Gäste traten zur Seite; lächelnd blieb sie neben ihrem Vater stehen.
    »Meine Tochter Clea«, sagte der alte Koshar zum König.
    »Sehr erfreut.«
    Koshar hob die linke Hand, und das Orchester spielte die Einleitung zum Wechseltanz. Jon sah zu, wie der König Clea aufforderte. Er sah auch, daß der Soldat einen Schritt auf sie zutrat und dann stehenblieb. Eine Frau im rauchgrauen Kleid stand plötzlich vor ihm und fragte: »Tanzen Sie?« Er erwiderte das Lächeln, um eine Antwort zu vermeiden, und sie nahm seinen Arm. Offensichtlich war es dem Soldaten ähnlich ergangen, denn als die Musik zur zweiten Runde einsetzte, sah Jon ihn ebenfalls tanzen. Durch einige Paare von ihnen getrennt, drehten sich Clea und der König im Kreis, beide weiß gekleidet, sie dunkelhaarig, er blond. Jon erinnerte sich wie im Traum an die Schritte – Drehung, Wippen, Auseinandergleiten, nächste Drehung. Immer wenn die Dame diesen merkwürdigen kleinen Außenschritt machte und der Herr sich verbeugte, so daß er sie einen Moment lang nicht sah, rauschte ihr Kleidsaum über den Boden. Ja, genau so! Der ganze Tag war angefüllt gewesen mit plötzlichen Erinnerungen an diese kleinen Dinge, die er fünf Jahre lang vergessen hatte. Die Deutlichkeit, mit der sie ihm wieder vor Augen traten, schockierte ihn. Das Orchester gab das Zeichen zum Partnerwechsel. Einen Moment lang wirbelten die Kleider wie Blüten, und er tanzte mit der Brünetten, die eben noch der Soldat im Arm gehalten hatte. Als er nach links sah, bemerkte er, daß es dem Major irgendwie gelungen war, Clea als Partnerin zu gewinnen. Er tanzte näher heran und belauschte die Unterhaltung.
    »Ich habe nicht mehr damit gerechnet, daß du kommen würdest«, sagte Clea. »Ich bin ja so froh.«
    »Ich hätte sogar noch früher kommen können«, entgegnete Tomar. »Aber ich dachte, daß du zuviel zu tun haben würdest.«
    »Warum bist du nicht nach oben gekommen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Als ich das Gedränge im Saal sah, glaubte ich, daß ich kein Wort mit dir wechseln könnte.«
    »Nun, jetzt hast du es jedenfalls geschafft. Wir müssen uns beeilen. Jeden Moment kann das Zeichen zum Partnerwechsel kommen. Was geschah mit den Aufklärern?«
    »Alle beschädigt. Sie konnten überhaupt nichts feststellen. Sie kamen heute morgen noch vor mir zum Stützpunkt zurück. Der Bericht war gleich Null. Wie steht es mit dem Picknick, Clea?«
    »Wir können am …«
    Ein Tusch kündigte den Partnerwechsel an. Jon hörte nicht mehr, was die beiden verabredeten, aber er rechnete damit, daß Clea nun in seine Arme wirbeln würde. Statt dessen (er sah ihr weißes Kleid aufschimmern und an ihm vorbeigleiten) flammte smaragdgrüne Seide und rotes Haar vor ihm auf. Er tanzte mit der Herzogin. Sie war beinahe so groß wie er und beobachtete ihn mit einem Lächeln, das sowohl Freundschaft als auch wissenden Zynismus bedeuten konnte. Sie bewegte sich leichtfüßig, und ihm kam eben der Gedanke, daß er ihr Lächeln erwidern mußte, um nicht unhöflich zu wirken, als das Orchester einen erneuten Wechsel ankündigte. In dem Augenblick, als sie von ihm fortwirbelte, hörte er sie ganz deutlich sagen: »Viel Glück, Jon Koshar.«
    Er blieb abrupt stehen, als sie seinen Namen aussprach, und starrte ihr nach. Als er sich, immer noch überrascht, seiner neuen Partnerin zuwandte, sah er Clea vor sich. Er hätte tanzen sollen, aber er stand starr da. Als sie ihm ins Gesicht sah, um die Ursache für sein Stocken zu ergründen, holte sie plötzlich tief Luft. Zuerst dachte er, sein Kopf sei wieder unsichtbar geworden. Dann, als das Entsetzen und die Überraschung deutlich in ihren großen Augen zu lesen waren, flüsterte er: »Clea!« Sie preßte die Hand vor den halb geöffneten Mund.
    Plump! dachte er, und das Wort war ein plötzlicher Schmerz in seinen Händen und

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