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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Schrei. Dann herrschte Schweigen. Quorl holte ein Wiesel mit weichem Pelz aus dem Käfig und reichte es dem Jungen.
    Der Pelz war federleicht und immer noch warm. Nur der Kopf des Tieres hing schlaff zur Seite. Der Junge warf wieder einen Blick auf die Hände des Hünen.
    Knorrige Adern überzogen die sehnigen Handrücken. Kleine, gekräuselte Haare reichten von den Knöcheln bis zum Handgelenk. Nun zerrten die Finger wieder das Laub über die Falle. Quorl überquerte die Lichtung und machte noch einen Käfig frei. Als die Hand in die Falle fuhr und die Muskeln des braunen Oberarms sich plötzlich anspannten (Squiieeraaa!) sah der Junge weg, zur Schlucht hinüber.
    Der Himmel war rauchgrau bis zum Horizont. Dort flammte plötzlich ein orangegelber Streifen auf und kündigte den Sonnenuntergang an. Die brennende Kupferscheibe hing tief in der purpurnen Schlucht. Ein zartlila Fächer zog sich über das Orangegelb, dann Weiß, ein Jadegrün … Das Grau war nicht richtig grau, sondern bläulich. Er begann die Farben zu zählen und kam auf zwölf (nicht auf tausend, wie Tel gesagt hatte). Die letzte war ein blasses Gold, das die Wolken am Horizont säumte.
    Quorl legte ihm die Hand auf die Schulter, und der Junge drehte sich um. Der Hüne drückte ihm das zweite Tier in die Hand. Dann marschierten sie zurück in den Wald. Später fachten sie ein kleines Feuer an. Der Hüne nahm sein schwertähnliches Messer und häutete und zerteilte die Tiere damit. Sie saßen im schwächer werdenden Licht und drehten das Fleisch auf Astgabeln über den Flammen. Der Junge sah zu, wie die rötlichgrauen Fasern zuerst Saft vertropften und dann braun und knusprig wurden. Als das Fleisch fertig war, holte der Hüne ein Stückchen Leder aus seiner Tasche und schüttete ein weißes Pulver darauf. Er faltete das Leder zusammen und reichte es dem Jungen.
    Der Junge tauchte den Finger hinein und kostete. Es war Salz. Als sie die letzten Fleischstücke aßen, war es im Wald kühler und still geworden. Die Flammen ließen das Laub der Umgebung hell aus dem Dunkel treten. Quorl nagte einen winzigen Knochen mit seinen gelben kräftigen Zähnen ab, als sie ein Geräusch hörten. Sie drehten sich beide um.
    Links von ihnen knackte ein Zweig. »Tloto«, rief Quorl mit lauter Stimme. Dann fügte er eine Art Fluch hinzu.
    Es kam näher; der Junge konnte seine Bewegungen hören. Dann sah er den großen Schatten am Rande des Lichtkreises.
    Verächtlich – aber ohne Furcht, das konnte der Junge genau erkennen – warf Quorl einen Stock nach dem Schatten. Das Ding wich mit einem wimmernden Laut aus.
    »Di ta klee, Tloto«, sagte Quorl. »Di ta klee.«
    Aber Tloto »di ta kleete« nicht, sondern kam ins Licht.
    Vielleicht hatte es menschliche Eltern besessen, aber man konnte es unmöglich einen Menschen nennen. Es war splitternackt, unbehaart, muschelweiß. Es besaß weder Augen noch Ohren, nur einen lippenlosen Mund und geschlitzte Nasenlöcher. Nun schnüffelte es zum Feuer hin.
    Der Junge sah nun, daß es verkümmerte Klumpfüße besaß. Nur zwei Finger an jeder Hand wirkten normal. Die anderen waren gelähmt oder fehlten ganz. Tloto griff nach Quorls Knochenabfall und wimmerte.
    Mit einer plötzlichen Handbewegung schob Quorl die starre Klaue zur Seite und stieß ein paar Flüche aus. Tloto zog sich zurück und wandte sich schnüffelnd dem Jungen zu.
    Der Junge war völlig satt, hatte aber noch eine Keule übrig. Es ist nur einen Kopf größer als ich, dachte er. Wenn es von dieser Hünenrasse abstammt, ist es vielleicht ein Kind. Möglicherweise ist es so alt wie ich. Er starrte das leere Gesicht an. Es weiß nicht, was hier vorgeht, dachte der Junge. Es weiß nicht, was sich ereignen wird.
    Vielleicht waren es diese Gedanken, die seine plötzliche Furcht auslösten. (Oder war es etwas anderes, das ihm die Kehle zusammenschnürte?) Jedenfalls streckte er Tloto die Keule entgegen.
    Die Klaue zuckte nach vorn, packte das Fleisch und zog sich blitzschnell zurück. Der Junge versuchte zu lächeln. Aber Tloto konnte nichts sehen, deshalb war es gleichgültig. Er wandte sich dem Feuer zu, und als er sich wieder umdrehte, war Tloto verschwunden.
    Während Quorl Erde über das glimmende Holz warf, hielt er dem Jungen eine Rede, offensichtlich über Tloto, vielleicht aber auch über ein paar andere philosophische Anschauungen. Der Junge hörte genau zu und verstand schließlich, daß Tloto keinerlei Beachtung wert war. Dann legten sie sich neben der Feuerkuhle

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