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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Gehorsam suchte er sich einen Weg durch feuchtes Gelände, wo das Laub nicht raschelte.
    Manchmal ging der Junge allein am Flußufer entlang. Eines Tages verfolgte ihn ein Wildschwein, und er mußte auf einen Baum klettern. Das Tier versuchte ihm nachzukommen. Er saß in der Astgabel und starrte still hinunter auf das grunzende Biest mit seiner warzigen grauen Schnauze. Wenn das Wildschwein mit dem spitzen Maul nach ihm schnappte, zitterten die Borsten über der Nase. Einer der gelben Stoßzähne war abgebrochen.
    Dann hörte er einen wimmernden Laut zu seiner Linken. Er drehte sich um und sah Tloto auf den Baum zukommen, plump wie immer. Zum erstenmal seit seiner Ankunft in den Wäldern spürte er den Wunsch zu sprechen. (Geh weg! Geh weg!) Aber Tloto konnte nicht sehen. Tloto konnte nicht hören. Der Junge krampfte seine Finger um die Rinde, bis sie brannten.
    Plötzlich wandte sich das Tier vom Baum ab und verfolgte Tloto. Sofort drehte sich der Halbmensch um und verschwand.
    Der Junge ließ sich vom Baum fallen. Er hörte, wie das Wildschwein durch das Unterholz preschte, und lief dem Geräusch nach. Er zwängte sich durch dichtes Unterholz, und dann stand er auf einer Lichtung.
    Mitten in der Lichtung schlug das Wildschwein um sich. Es war in einem Schlammloch versackt, das eine trügerische Decke aus schwimmenden Blättern und Zweigen besaß. Das Tier sank immer tiefer.
    Dann erblickte der Junge Tloto auf der anderen Seite der Lichtung. Seine Nasenlöcher zuckten, und er drehte den blinden Kopf hin und her. Irgendwie hatte der Halbmensch das Tier in die Falle gelockt. Er wußte nicht wie, aber nur so konnte es geschehen sein.
    Der Zwang, der jetzt in ihm hochstieg, ließ sich nicht mehr unterdrücken. Es hatte damit zu tun, daß er dem Tod entronnen war und auch damit, daß die ganze Situation unmöglich war. Der Junge lachte.
    Er war selbst davon überrascht und schwieg sofort wieder. Dann drehte er sich um. Quorl stand hinter ihm. (Squiiiee … Squiiiee … raaaaa! Dann ein Gurgeln, dann nichts.)
    Auch Quorl lächelte. Er sah verwirrt aus.
    »Warum hast du –?« (Das letzte Wort war neu. Wahrscheinlich bedeutete es »gelacht«, aber er sagte nichts).
    Der Junge drehte sich jetzt um. Tloto und das Schwein waren verschwunden.
    Quorl brachte den Jungen zurück zum Lager. Als sie sich dem Fluß näherten, betrachtete Quorl stirnrunzelnd die Fußspuren des Jungen in der feuchten Erde. »Es ist gefährlich, Fußspuren im weichen Boden zu hinterlassen. Bösartige Tiere kommen an den Fluß, um hier zu trinken. Wenn sie dich riechen, werden sie dich verfolgen. Angenommen, das Wildschwein hätte sie bemerkt, bevor es in der Schlammgrube versank? Was dann? Wenn du schon Fußspuren hinterlassen mußt, dann im trocknen Staub. Aber am besten ist es, wenn du sie überhaupt vermeidest.«
    Der Junge hörte zu und merkte sich die Worte. Aber in dieser Nacht hob er ein großes Stück von seinem Fleisch auf. Als Tloto in den Lichtkreis trat, gab er es ihm.
    Quorl zuckte mißbilligend mit den Schultern und warf der zurückweichenden Gestalt einen Stein nach. »Er ist nutzlos«, sagte Quorl. »Weshalb verschwendest du das Essen für ihn? Essen verschwenden ist –« (Unverständliches Wort) »Du verstehst nicht –« (Noch ein unverständliches Wort)
    Der Junge fühlte, wie etwas in ihm hochstieg. Aber er wollte nicht, daß es über seine Lippen kam, und so lachte er wieder. Quorl sah ihn erstaunt an. Der Junge lachte von neuem. Dann stimmte Quorl in das Lachen ein. »Du wirst lernen. Du wirst endlich doch lernen.« Dann wurde der Hüne ernst. »Weißt du, das ist der erste – Laut, den ich von dir gehört habe.«
    Der Junge runzelte die Stirn, und der Hüne wiederholte den Satz. Die Miene des Jungen verriet, welches Wort er nicht verstand.
    Der Hüne dachte eine Weile nach und sagte dann: »Du, ich, sogar Tloto – wir sind malika .« Das war das Wort. Nun sah Quorl sich um. »Die Bäume, Felsen und Tiere sind nicht malika. Aber das Lachen, das ist ein malika -Geräusch.«
    Der Junge dachte darüber nach, bis er glaubte, verstanden zu haben. Dann schlief er.
    Er lachte im Laufe der folgenden Zeit oft. Der Kampf um das Überleben war so zur Routine geworden, daß er seine Aufmerksamkeit mehr und mehr malika -Dingen zuwenden konnte. Er beobachtete Quorls Reaktionen, wenn sie mit anderen Dschungelbewohnern zusammentrafen. Mit einzelnen Männern oder Frauen tauschte er meist zehn oder zwölf freundliche Worte. Wenn es ein Paar war,

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