Sklaven des Himmels
beiden Frauen küßten einander auf die Wange.
»Da du wieder gehen kannst«, meinte Berry, »wollen wir den Bach überqueren und uns so weit in den Wald begeben, bis du zu müde zum Weitermarschieren bist. Dann werden wir uns ausruhen.«
Vron hielt sich länger auf den Beinen, als Berry auch nur zu hoffen gewagt hatte. Die Bäume waren nicht so hoch und wuchsen nicht so dicht beisammen wie in den Wäldern, die er kannte. Das Mondlicht machte es ihnen leicht, zu sehen, wohin sie traten. Hin und wieder hielten sie kurz an, um sich zu verschnaufen, hauptsächlich aber, um zu lauschen, ob sie bereits verfolgt wurden. Doch nichts war zu hören. Berry wunderte sich. Es schien ihm unmöglich, daß das Loch in der Barriere nicht entdeckt worden war. Aber vielleicht schob Le Gwyn die Verfolgung bis zum Morgengrauen auf, wenn er selbst daran teilnehmen konnte.
Berry hielt sich dicht am Bach und folgte seinem Bett. Zu essen hatten sie, aber es war gut, nahe am Wasser zu bleiben. Die Sterne verloren sich bereits am künstlichen Himmel, der Berry immer noch ungemein echt vorkam, als Vron gestand, daß ihre Beine zu müde zum Weitermarschieren wurden.
Sie hatten eine etwas höher gelegene Stelle erreicht, auf der sich eine mit weichem Gras ausgebettete Mulde befand. Es schien der ideale Rastplatz. Die Bäume rundherum standen dichter als anderswo.
»Du hast dich gut gehalten«, lobte Berry Vron. »Wir werden jetzt essen, trinken und uns ausruhen. Wir werden später noch viel Kraft brauchen.« Er öffnete ein Päckchen Nahrungsmittelkonzentrate. Es handelte sich um große Tabletten, die gelutscht und gekaut werden konnten. Sie hatten einen undefinierbaren, aber angenehmen Geschmack. Mit dem klaren Bachwasser verliehen sie ein Gefühl zufriedenen Gesättigtseins. In dem Päckchen befand sich auch eine winzige Schachtel mit einigen geleeartigen roten Kugeln, die nicht größer als Vogelbeeren waren. Versuchsweise kaute Berry eine. Sie schmeckte sehr süß und löste sich schnell auf. Fast unmittelbar darauf verschwamm jedoch alles vor seinen Augen, und seine Ohren dröhnten. Er begann seine Unvorsichtigkeit zu bereuen, doch da sah er wieder völlig normal, auch das Dröhnen erstarb und er verspürte ein angenehmes Prickeln in seinen Füßen und Händen. Aber was am wichtigsten war, seine Muskeln schmerzten nicht länger von der Anstrengung, Vron so lange getragen zu haben. Er war auch nicht mehr müde, und sein Verstand war so klar, wie er es sich nur wünschen konnte.
»Bors Zangwin hat uns mit etwas versorgt, das noch wertvoller als Essen ist.« Er gab jeder der beiden Frauen eine Kapsel. Sie schluckten sie gehorsam. Als er sah, daß die Nebenwirkung vorüber war, erklärte er ihnen einen Teil seines Plans. Er verriet ihnen nicht alles, weil er wußte, daß sie ihn sonst für verrückt halten würden.
»Man wird uns jagen«, sagte er ruhig. »Und zwar jagen wie Tiere, weil die meisten Menschen von Himmel VII uns als Tiere betrachten. Wenn sie können, werden sie uns töten, wie wir auf der Erde Wild töten. Doch während wir es nur tun, damit wir zu essen haben, tun sie es als Sport. Regis Le Gwyn schickt vermutlich Roboter und Auvibienen aus, um uns aufzuspüren. Auvibienen sind kleine fliegende Geräte, die alles übermitteln, was sie sehen und hören.«
Vron schauderte. »Dann können wir nicht entkommen. Man wird uns finden und töten. Aber es ist schon etwas, wenn man nicht allein sterben muß.«
»Frau«, sagte Berry verärgert. »Mir hat schon Talas Gerede vom Sterben gereicht. Ich will nichts mehr davon hören. Die Menschen von Himmel VII haben viele Fähigkeiten – und Maschinen, die ihnen dienen. Aber ihr Geist ist nicht durch die Unbilden der Natur abgehärtet wie unserer. Sie mußten nicht um ihr Überleben kämpfen, mußten nicht um Fleisch jagen und hungern, wenn sie keines fanden. Ja, gewiß, sie sind klug. Aber sie sind auch schwach. Schwach und stolz. Deshalb sind sie verwundbar. Das Wiesel ist kleiner als der Hase und nicht so kräftig. Doch das Wiesel ist ein Jäger und der Hase nicht. Wir haben es mit Hasen zu tun, die sich einbilden, Jäger zu sein. Laß sie kommen ... So, und nun werdet ihr beide schlafen, während ich Wache halte. Wenn ihr euch ausgeruht habt, ziehen wir weiter und suchen einen Platz, wo wir unsere Verfolger erwarten können. Ich verspreche euch, sie werden diese Begegnung bereuen.«
»Mein Häuptling«, sagte Vron. »Wenn wir die Jäger töten, werden sicher weitere kommen. Was
Weitere Kostenlose Bücher