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Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'

Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'

Titel: Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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einsamer Hofhund.
    Kröse kannte die Strecke im Schlaf. Sie
fuhren 81,5 Kilometer, bogen hinter dem Dorf Wächtrode auf die unbefestigte
Seitenstraße ab, rollten durch ein kleines Wäldchen und dann den
Wächtlings-Berg hinauf, der eigentlich nur ein Hügel ist, sich aber immerhin
304 Meter aus der Ebene erhebt.

    Er ist kegelförmig. Auf den Hängen
wachsen Büsche und mickrige Nadelbäume. Der Untergrund besteht aus Fels, und
oben ist der Wächtlings-Berg abgeplattet.
    Vor 800 Jahren hatte das den nicht
unbedeutenden Ritter Philipp von Wächtlingen, genannt der Zappler, bewogen,
oben auf dem Berg seine Burg, die Wächtlings-Burg, zu erbauen. Sie war nicht
groß, sondern vermutlich die kleinste Burg in Europa, verfügte aber über alles,
was eine Burg haben muß: Hof, Ziehbrunnen, Bergfried, Verlies, Kemenate (Frauenhaus), Ringmauer, Burggraben, Zugbrücke.
    Eine schöne Burg war es nicht, denn
Philipp, der Zappler, galt als äußerst nervös. Geduld war nicht seine Stärke;
und um bald einziehen zu können in sein neues Zuhause, trieb er die damaligen
Bauhandwerker zu äußerstem Tempo an. Architekt, Maurer und Zimmerleute mußten
sich ein Bein ausreißen. Und weil auch damals am Bau schon gepfuscht wurde,
entstand eine Burg voller Mängel. Die Wände bröckelten, der
    Söller war wacklig, ab und zu brach ein
Eckturm ab, und den Wehrgang konnte man nur unter Lebensgefahr betreten. In der
dürftigen Chronik heißt es, daß Philipp den Speisesaal im sogenannten
Palas-Gebäude nur in voller Rüstung aufsuchte — mit dem Helm auf dem Kopf, weil
er Angst hatte, herabfallende Steine könnten ihn erschlagen.
    Alles in allem hatte die
mittelalterliche Behausung also nur die Qualität einer Sozial-Wohnung. Daß die
Wächtlings-Burg bis zum Jahr 1888 nicht völlig verfiel, verdankte sie dem
milden Klima — für das die Gegend um Wächtrode bekannt ist. In jenem Jahr
erwarb Lothar-Wendelin Wiegand — Wendys Urgroßvater — das verwahrloste
Ritter-Eigenheim, das im damaligen Kaiserreich niemand sonst haben wollte.
Lothar war Fisch-Großhändler, hatte mit Sprotten und Kabeljau ein Vermögen
gemacht und konnte die Wächtlings-Burg sehr günstig erwerben. Vielleicht
deshalb, weil 1888 ein turbulentes Jahr war. Da starb nämlich Kaiser Wilhelm
I., in Deutsch-Ostafrika fand ein Eingeborenen-Aufstand statt, ein gewisser
Doehring verfertigte den ersten Spannbeton, und nach Oberstdorf im Allgäu wurde
eine Eisenbahnlinie gebaut.
    Lothar, der Urgroßvater, steckte eine
Menge Geld in die Burg. Sie wurde das Wochenend-Paradies der Wiegands — bis zum
heutigen Tag.
    Wendy und seine Schwester Petra,
geschiedene Dalmig, erbten nicht nur die Burg, sondern auch das beträchtliche
Vermögen, das Lothar damals mit seinen Fischen verdient hatte. Es war in 100
Jahren nicht weniger geworden, sondern mehr, weil alle Wiegands ihr Geld in
Grund und Boden anlegten. Wendy und Petra hatten also Kohle genug und konnten
darauf verzichten, einen Beruf zu erlernen. Doch der Mensch braucht ein
Lebensziel. Die Geschwister entdeckten es in einer Sekte. Diese nannte sich
schlicht „Gemeinde der guten Menschen.“
    Ihr Boss, der sich ,Vater’ oder
,Oberpriester’ anreden ließ, hieß Pedro Hintermeier, stammte aus
Süddeutschland, war gelernter Krematoriumsaufseher und vor neun Jahren nach Südamerika
ausgewandert. Im tiefsten Urwald hatte er mit Sekten-Anhängern eine Kolonie
gegründet. Ein Stück Land, das als wertlos galt, wurde billig angeschafft und
gerodet. Hintermeier und seine Leute bauten die Kolonie zu einer Art Lager aus
— zu einem Gefangenenlager. Es erhielt den Namen Wutawia.
    Die Lehre, die Hintermeier als
Sekten-Boss ausstreute, war leicht zu verstehen. Sie besagte: Wer in seinem
Leben viel arbeitet, wirklich immer nur arbeitet, kann nichts Böses tun, weil
er erstens keine Zeit dafür hat und zweitens zu müde ist. Also erfand
Hintermeier die Formel: Durch Arbeit zum Heil. Und er erfand die
112-Stunden-Woche. Daß täglich 16 Stunden geschuftet wurde, war
selbstverständlich — bei den „guten Menschen“. Sechs Stunden waren der
Nachtruhe vorbehalten, zwei Stunden allem andern wie Zähneputzen, Nahrung
aufnehmen, Füße waschen, Lesen, dem Hobby nachgehen, sich des Lebens erfreuen.
    Es versteht sich von selbst, daß die
Sekten-Fans diese Schinderei nicht lange mitmachten. Aber Hintermeier hatte inzwischen
39 Gefolgsleute um sich geschart, die sich als Führungsschicht verstanden.
Diese 40 Typen waren nichts anderes als brutale

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