Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'
Fräulein.“
„Entschuldigung. Ich habe Sie zu spät
bemerkt.“
„Liegt am Nebel“, erkannte Paula
scharfsinnig.
Scheint eine Frau zu sein, dachte Gaby.
Klar. Es gibt ja auch Vagabundinnen.
Karl war so erschrocken über die herbe
Erscheinung, daß er sich anderthalb Schritte im Hintergrund hielt.
„Ah“, rief Gaby und war froh über ihren
Einfall, „vielleicht können Sie uns helfen. Wir suchen nämlich jemanden. Zwei
Jungs. Der eine ist groß, sehr kräftig, braungebrannt und hat dunkle Locken.
Aber die sieht man nicht, weil er einen Kalabreser-Hut trägt. Der andere ist
klein und dick und sieht — wie der Große — ziemlich zerlumpt aus.“
„Daß sie zerlumpt sind“, erwiderte
Paula, „kann man wirklich nicht sagen. Dann wäre ich’s ja auch. Und ich meine,
ich bin ordentlich gekleidet. Natürlich nicht so hochwertig wie du, aber
zweckmäßig. Im übrigen: Meinst du Tim und Willi?“
„Genau die“, rief Gaby.
„Wundert mich, daß du die kennst. Aus
demselben Stall seid ihr nicht.“
„Wie? Äh, nein. Aber... Karl und ich
kennen die beiden. Ich bin Gaby. Wissen sie, wo wir Tim und Willi finden?“
„Sie hausen in der Baubude dort
hinten.“ Paula wies ihnen die Richtung. „Grüßt die beiden von mir.“
Damit wandte sie sich ab und walzte zur
Treppe, um zum Gemüse-Markt zu schnüren, wo sich jeden Samstagvormittag etliche
Penner zum Frühschoppen versammelten.
Gaby und Karl stießen in den Nebel und
tippelten bis zum Ende des Kais.
Als Karl zum vierten Mal heftig nieste,
erkundigte sich Gaby, ob er erkältet sei.
„Scheint so“, lachte er. „Ich kriege
die Grippe. Und Tim und Willi, die sich den Unbilden der Witterung aussetzen,
sind wahrscheinlich mopsfidel.“
„Gesundheit!“ wünschte Gaby, denn Karl
nieste schon wieder.
Plötzlich sahen sie die Baubude vor
sich.
„Wir überraschen sie“, flüsterte Gaby.
Sie schlichen näher. Gaby wollte schon zur Türklinke greifen, als in der Bude
Theos Stimme schrillte.
„...es... ist... ja, mein Geld! Wenn ihr
was wegnehmt, dann verrate ich euch... an die Polente.“
„Was machst du?“ röhrte eine dumpfe
Männerstimme, die Kröse gehörte.
„Ich verrate euch, ja! Ich habe nämlich
gesehen, was letzte Nacht war.“
„Da bin ich aber gespannt“, erwiderte
Kröse.
„Laß das Geld liegen“, schrillte Theo.
„Sonst... Ich habe gesehen, wie ihr die beiden Jungs verschleppt habt. Jaaaa —
die beiden, die hier pennten. Dort, durchs Fenster habe ich reingesehen.
Betäubt waren die beiden. Ihr habt sie in Teppiche eingerollt und... hochgetragen
zu einem Wagen. Das habe ich gesehen. Und die Bullen würden sich freuen, wenn
ich ihnen das erzähle.“
Gaby konnte kaum atmen. Sie meinte, ihr
Herz bleibe stehen.
In diesem Moment platzte Karl mit einem
Niesen heraus, das wie der Trompetenstoß eines Elefanten klang.
20. Wo ist Andy?
Oswald Müller und seine Noch-Ehefrau
Barbara verbrachten eine schlaflose Nacht.
Ohne miteinander zu reden, saßen sie am
Telefon. Doch das schwieg. Keiner der Kidnapper rief an.
Zweimal telefonierte Barbara mit dem
Katharinen-Hospital.
Sie hörte, daß es ihrem Vater recht gut
gehe. Wahrscheinlich würde man ihn noch am Samstag nach Hause entlassen.
Auch Barbara sah davon ab, die Polizei
zu verständigen. Im Interesse von Caroline war es besser, sich den Kidnappern
zu fügen. Schon der kleinste Fehler, eine unbedachte Eigenmächtigkeit, hätte
sie gefährdet.
Gegen Morgen verließen Barbara die Kräfte.
Oswald drang darauf, daß sie sich ins
Bett legte.
Auch er war hundemüde. Aber er mußte
unbedingt mit Petra Dalmig telefonieren.
Jetzt, da Barbara schlief, bot sich die
einzige Möglichkeit.
Erst nach dem fünften Läuten hob seine
Geliebte ab.
„Was ist?“ Sie gähnte in den Hörer.
„Ich bin’s“, er sprach gedämpft.
„Petra, stimmt das — mit dem Lösegeld? Hast du’s wirklich nicht?“
„Nichts. Himmel, mußt du so früh
anrufen? Ich war auf Wendys Party bis um vier. Und dann bin ich noch
rausgefahren zu…“
„Liebling“, unterbrach er sie, „Etzel
hatte eine halbe Million bei sich. In einer beigen Portovetto-Reisetasche. Er
hat sie auf die Bank gestellt. Dann wurde ihm übel. Er sackte zusammen, und von
da an war Filmriß.“
„Unser Pech, Ossi. Als ich kam — und
ich war pünktlich — habe ich keine Tasche gesehen. Die hat sich sonstwer
gekrallt. Ist eine Gemeinheit. Aber daran können wir nichts ändern. Echt übel
finde ich, daß deine Stieftochter
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