Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'
raubvogelartiger Typ
mit Geiergesicht. Tim erkannte ihn sofort. Auch ihn, Kuno Leckler, hatte der
TKKG-Häuptling damals kennengelernt — auf der Party. Leckler war der Direktor
des Euro-Museums.
„Tag, Herr Leckler“, rief Caroline.
„Ich zeige meinen Freunden das Haus. Führe sie ein bißchen rum. Das sind Gaby,
Tim, Willi und Karl.“
Leckler nickte verdrießlich. Sein Blick
ruhte etwas länger auf Tim, doch woher er den kannte, fiel ihm offensichtlich
nicht ein.
Wie damals trug er eine dunkle
Hornbrille, und das violette Muttermal unter dem linken Auge war nicht kleiner
geworden.
Er schloß die Tür hinter sich und schob
ab in Richtung Festsaal.
Hoffentlich hebt er die Garderobenmarke
nicht auf, dachte Tim.
Zu seiner Erleichterung bemerkte
Leckler nichts. Als er die Saaltür öffnete, brandete das Stimmengewirr auf.
Dann war wieder Stille.
„Ein ekliger Typ“, sagte Caroline.
„Wenn er was will, schleimt er wie eingeölte Schnecken. Aber kaum hatte
Großvater eingewilligt, ihm die Gemälde als Leihgabe zu überlassen, war’s mit
der Freundlichkeit vorbei. Nicht mal eine Weihnachtskarte hat er Großvater
geschickt.“
„Keine Bildung“, sagte Klößchen. „Wahrscheinlich
ein Fachidiot — mit ‘nem Horizont wie ein Bilderrahmen.“
„Deine Mutter habe ich gesehen“, sagte
Gaby zu Cäroline. „Aber deinen Großvater nicht.“
„Er hat leider Grippe. Und er wäre doch
so gern gekommen.“
Sie warteten.
Tim beobachtete die Saaltür.
Nicht mehr lange, und der
Oberbürgermeister würde eine Rede haltennach ihm war sicherlich Leckler an der
Reihe.
Das sparen wir uns, dachte Tim. Ist
sowieso immer der gleiche Stuß.
Karl wollte sich wieder an die Kein-Zutritt-Tür
lehnen. Offenbar war er heute müde im Kreuz.
Bevor es dazu kam, wurde sie
aufgerissen, und ein Mann stürmte heraus: puterrot im Gesicht.
Er hatte zwar keinen Schaum vor dem
Mund, sah aber sehr danach aus, war jedenfalls wütend bis ans Herz.
Karl stand im Weg und erhielt einen
Stoß vor die Brust, daß er taumelte.
„He!“ rief Karl.
Doch der Mann stampfte vorbei, eilte
zur Garderobe und schmetterte dort die Faust auf den Tresen.
„Meinen Mantel!“ brüllte er. „Dalli,
dalli! Ich denke nicht daran, mir dieses Affentheater anzusehen. Mit Kultur hat
das nichts zu tun. Klar?“
„Bitte, Ihre Marke“, sagte das
Garderobenfräulein.
„Was? Wissen Sie nicht, wer ich bin.
Dort der schwarze Kaschmir-Mantel.“
„Erst Ihre Marke, mein Herr.“
Fluchend wühlte der Typ in den Taschen,
fand die Marke und erhielt seinen Paletot.
Während der Wüterich mit den Ärmeln kämpfte,
verschluckte er sich fast an seiner mächtigen Zigarre.
Grinsend beobachteten ihn die
Jugendlichen über die siebte und achte Treppenstufe.
Der Typ war klein, fett, hatte einen
runden, kahlen Schädel und viel Gold im Mund. Gekleidet war er wie ein Arbeitgeber,
bei dem’s auf eine Million nicht ankommt.
Immer noch wütend, stampfte er jetzt
hinaus in den grauen Nachmittag.
„Ich glaube, den kenne ich“, sagte
Klößchen. „Der ist schon im GUC — im Groß-Unternehmer-Club — blöd aufgefallen.
Mein Vater gehört dort zum Vorstand. Und Krachwang — so heißt der Saftheini —
motzt immer rum. Es liegt ein Antrag vor, ihn aus dem Club auszuschließen, den
Hans-Rüdiger Krachwang.“
„Was für ein Groß-Unternehmer ist er?“
fragte Tim.
„Heftpflaster-Fabrikant.“
„Das muß ja den Charakter verderben. Um
seinen Umsatz zu steigern, betet er sicherlich, daß sich möglichst viele
Menschen verletzen. Denn die Unverletzten brauchen kein Heftpflaster.“
„Stimmt genau“, nickte Klößchen. „Im
Club läßt er immer seinen Wahlspruch raus: Ich liebe Verletzungen — nur nicht
an mir selbst.“
„Wenn der sich einbildet“, sagte Karl,
„daß ich jemals ein Krachwang-Pflaster benutze, hat er sich geschnitten.“
Die Kein-Zutritt-Tür stand noch
sperrangelweit offen.
Tim blickte in einen Vorraum, wo
Garderobenhaken angebracht waren. Die nächste Tür war geschlossen. Aber jetzt
trat dort eine Frau heraus. Sie hielt den Kopf gesenkt und schien zu seufzen.
„Stefanie!“ rief Caroline erfreut.
Die Frau war jung, höchstens 23, hatte braunes
Haar und blaue Augen. Ihr Kleid war gerade festlich genug für den heutigen
Anlaß, aber doch eher schlicht. Sie hatte hohe Wangenknochen und einen zu
großen Mund. Tim entschied, sie sei hübsch. Zumindest wirkte sie so, was wohl
an der Anmut lag, mit der sie sich bewegte, und an der
Weitere Kostenlose Bücher