Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'
ältlicher Museumswärter saß im
Vorraum auf seinem Stühlchen und langweilte sich.
Plegel hastete an ihm vorbei. Das
Quintett rollte gleich dahinter an.
In der Abendländischen Sammlung, die
aus mehreren Räumen und einem großen Hauptsaal bestand, schien sich niemand
aufzuhalten. Kein Schritt war zu hören, kein Räuspern, kein Laut der
Bewunderung.
„Wir können nicht alle reinpoltern“,
sagte Tim. „Plegel würde uns bemerken. Überlaßt ihn mir. Ich rufe euch.“
Im Vorraum hing nur die
Museums-Ordnung.
Tims Freunde stellten sich davor auf
und bekundeten größtes Interesse. Dafür zum Beispiel, daß Rauchen verboten sei,
man nicht auf den Boden spucken dürfe und Hunde keinen Zutritt haben.
Tim äugte in den Hauptsaal, bevor er
ihn betrat.
Er war hoch. Prächtige Gemälde hingen aus.
Kein Plegel.
Vier Durchgänge zweigten ab.
Tim sauste los.
Der erste Nebenraum war leer.
Als Tim in den zweiten spähte, stand
Plegel vor einem großen Gemälde von Pietro Perugino (1445-1523).
Groß war es nicht nur wegen seiner
Schönheit, sondern auch im Format, das in etwa einer Tischtennis-Platte
entsprach.
Plegel wandte Tim den Rücken zu,
starrte das Gemälde an und ballte Fäuste im Drei-Sekunden-Rhythmus — wie vorhin
in der U-Bahn.
Tims Blick erfaßte das Gemälde.
Wunderbar! Diese Einfachheit der Formensprache! Der sanfte Charakter einer
weiträumigen Landschaft! Heilige Gestalten, von hingebungsvoller Anmut
durchdrungen. Ein verklärter Ausdruck lag über dem Bild.
Plegel gab einen Hals-Laut von sich,
als spucke er aus.
Die rechte Hand fuhr in die Tasche, riß
das Fläschchen heraus. Weg mit dem Stöpsel und-platsch!
Salzsäure hätte sich über Signore
Peruginos Werk ergossen, wäre die TKKG-Bande nicht so wachsam gewesen.
Jetzt pfiff nur schweflige Luft aus dem
Glas.
Plegels Arm erstarrte in Schulterhöhe.
Der Kopf begann zu zittern wie ein Lampion (Papier-Laterne) im
Nachtwind.
Plegel gurgelte. Er untersuchte das Fläschchen.
Unerklärlich! Wieso war das leer? Aber mit der Frage hielt er sich nicht auf.
Statt dessen griff er abermals in die Tasche.
Tim hatte es geahnt. Auch mit einem
Taschenmesser kann man Bilder zerstören, nämlich die Leinwand zerfetzen.
In diesem Fall hätte er allerdings
kratzen, schneiden, schnitzen müssen. Denn Perugino hatte auf Kastanienholz
gemalt.
Sei’s drum — gut getan hätte eine
Attacke per Messer dem Kunstwerk nicht.
Als Plegel zum Stich ausholte, griff
Tim zu.
Der Fratzenschneider wurde zurückgerissen.
Er schrie auf. Tim bog ihm die Arme auf den Rücken. Der Taschendolch — ein
Schnappmesser — fiel zu Boden. Plegel versuchte, hinter sich zu treten. Tim
schüttelte ihn, daß sämtliche Gelenke des Gemälde-Feindes aufkreischten.
„Hör auf zu zappeln!“ herrschte Tim ihn
an. „Sonst...“
Weiter kam er nicht. Er sackte auf die
Knie, spürte einen bösartigen Schmerz hinten am linken Oberschenkel und mußte
Plegel loslassen.
Der sprang sofort zur Seite, hetzte um
Tim herum und hinaus.
Wahnsinn!
Tim kniete, stützte die Hände auf und
blickte hinter sich.
Wer hatte ihn da getreten — wie ein
Weltmeister im Fußball-Weitschuß?
Ein Typ mit Stahlwolle-Vollbart und
Tarnfarben-Parka stand hinter ihm und blickte grimmig unter seinem Filzhut
hervor. Der Hut sah aus wie selbstgemacht, und der Typ war ein kräftiges
Halbschwergewicht.
„Du Saubengel!“ knurrte er. „Sogar im
Museum werden jetzt die Leute überfallen. Aber nicht unter meinen Augen.“
„Sie verdammter Idiot!“
Tim schraubte sich hoch, spürte sein
linkes Bein nicht, konnte aber hinken.
Als er losrennen wollte, vertrat der
Bärtige ihm den Weg.
Dieser Blödmann machte alles kaputt!
Tim versetzte ihm einen Prankenstoß,
und der Mann flog gegen die Wand — dicht neben einem garantiert echten Claude
Lorrain.
„Das war ein Säureattentäter“,
schnaubte Tim und sauste los.
Das Bein schmerzte noch, aber in den
Muskeln war wieder Gefühl.
Tim rannte durch den Hauptsaal. Im
Vorraum stand ein verdatterter Wärter vor seinem Stühlchen. Schritte auf der
Treppe, Plegel floh abwärts — wohin auch sonst und Tims Freunde waren hinter
ihm.
Der TKKG-Häuptling drehte auf. Im
Erdgeschoß hatte er seine Freunde eingeholt. Karl stürmte voran, Klößchen als
zweiter. Die Mädchen waren nicht ganz so schnell — und sowieso nur als
Augenzeugen gedacht.
Plegel hatte noch Vorsprung, hatte mit
seiner windeseiligen Flucht auch Tims Freunde überrascht. Jetzt sprintete
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