Sklaverei
importieren und exportieren, und zwar oft sogar mit offiziellen Einwanderungs- und Aufenthaltserlaubnissen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Regierung der Vereinigten Staaten müsste die Nackt- und Lap-Dance-Bars in ihrem Land mit demselben Maßstab messen, mit denen sie vergleichbare Etablissements in Thailand, den Philippinen, Surinam oder Mosambik beurteilt. Nach dem Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels gelten 80 Prozent aller dort tätigen Frauen als Opfer des Menschenhandels, was die Kunden, Betreiber und Besitzer zu Menschenhändlern und Nutznießern der Sklaverei macht.
Vor einigen Jahren wurden verschiedene Kampagnen zur Vermeidung von Gewalt gegen Frauen gestartet, in denen die Opfer aufgefordert wurden, sich nicht misshandeln zu lassen. Erst zu Beginn des 21 . Jahrhunderts richteten sich diese Kampagnen allmählich an die Aggressoren; heute heißt es nicht mehr: »Alle 15 Sekunden wird irgendwo auf der Welt eine Frau misshandelt«, sondern: »Alle 15 Sekunden misshandelt irgendwo auf der Welt ein Mann eine Frau.« Trotzdem werden in Bolivien, Russland und anderen Ländern nach wie vor Aufklärungskampagnen unter dem Motto »Lass dich nicht betrügen« geführt. Damit dürfen sich die Opfer schuldig fühlen, weil sie sich haben betrügen lassen.
Kulturelle Vielfalt
Bei meiner Reise um die Welt habe ich unter anderem gelernt, dass sich eine Nachkriegsgesellschaft wie beispielsweise die kambodschanische, die noch unter dem Trauma des Völkermordes der Roten Khmer leidet, nicht über denselben Kamm scheren lässt wie etwa Mexiko, Guatemala, Pakistan oder Kenia, auch wenn dort die Armut in ländlichen Regionen ähnlich hoch ist und die Dimension des Handels mit Frauen und Mädchen erschreckende Ähnlichkeiten aufweist. Vielmehr ist in jedem Land eine genaue Untersuchung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation von Frauen und Mädchen sowie der kulturellen Wahrnehmung von Sexualität und Gewalt erforderlich. Genauso wichtig ist eine Untersuchung darüber, welchen Einfluss die Globalisierung sowie religiöse und kulturelle Wertvorstellungen auf das Sexualleben der Menschen aller Altersgruppen haben. Dabei müssen spezifische regionale Gegebenheiten berücksichtigt werden, und dazu wiederum ist das Wissen der Experten vor Ort unverzichtbar. Gleichzeitig benötigen wir jedoch eine gemeinsame Sprache und globalisierte Kategorien. Dabei können wir durchaus von den Millionen von Klienten der Prostitution mit ihren sexualisierten rassistischen Vorurteilen lernen. Diese müssen genauso in die Untersuchung einbezogen werden wie die Menschenhändler und Zuhälter, denn nach der Verschärfung der Prostitutionsgesetze im Westen sind sie verantwortlich für die Ströme der Touristen, die in Länder mit einem schwachen Rechtsstaat fließen, in denen »die zärtlichen und unterwürfigen Frauen« leben, wie sie mir selbst sagten.
Außerdem müssen wir uns ansehen, wie – vor allem in Entwicklungsländern – die Opfer des Menschenhandels von den Behörden je nach ihrer ethnischen Herkunft unterschiedlich behandelt werden. Die Menschenhändler, die den spanischen Markt beliefern, suchen ihre Opfer vorrangig in Brasilien, Surinam, Kolumbien, der Dominikanischen Republik und den Antillen. Rund 50 000 Frauen wurden aus Afrika und Lateinamerika nach Holland und Deutschland verschleppt, wo die Prostitution legal ist. Da sie in der Europäischen Union keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, sind sie diejenigen, die dort am häufigsten misshandelt, inhaftiert und deportiert werden. In Japan leben nach Schätzungen der Sozialwissenschaftlerin Susana Chiarotti rund 3 000 Mexikanerinnen, die zum Zweck der Zwangsprostitution verschleppt wurden; in Tokio traf ich auf eine große Gemeinschaft von Frauen aus ganz Lateinamerika, die von den Yakuza zur Prostitution gezwungen werden.
Schließlich dürfen wir die Rolle der Mafia nicht vergessen. Große wie kleine Verbrechersyndikate nutzen die Verwirrungen, die diese Diskussion stiftet, und geben den politischen und gesellschaftlichen Missverständnissen zusätzliche Nahrung, um die Sklaverei zur Normalität zu machen. Das Büro der Vereinten Nationen zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung ( UNODC ) muss die Mitgliedsstaaten dazu anhalten, Ermittlungen gegen die Unternehmer des Sexgewerbes und ihre Anwälte und Verwalter einzuleiten, die in vielen Fällen
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