Sklaverei
durchlässig wie die politischen Grenzen.
3 Japan: Die Mafia der Geishas
Tokio unplugged
Rodha ist eine hübsche Frau mit alabasterfarbener Haut und Haaren von einem Rot, wie es kein Färbemittel nachahmen kann. Beim Sprechen blinzelt sie mit ihren großen grünen Augen. Sie besucht mich in meinem Büro in Cancún und ist nicht nur bereit, mir ihre Geschichte zu erzählen, sondern sie bringt mir auch eine Spende für die Betreuungsstätte für Frauen und Mädchen, die ich leite. Ihre Empathie scheint nahezu grenzenlos. Ehe ich ihre Geschichte gehört hatte und selbst nach Japan gereist war, verstand ich nicht, warum diese Amerikanerin ihr Leben und ihre Arbeit einer Mission der Gerechtigkeit widmet.
So erzählt sie mir ihre Begegnung mit der japanischen Kultur:
Wenn die Freiheit grenzenlos ist, dann kann sie zerstörerisch und gefährlich sein. Ich war gerade 18 Jahre alt geworden und hatte mich von meinen Eltern emanzipiert. Ich habe mich lebendig gefühlt und war begeistert von meiner neu gewonnenen Freiheit. Es war ein Tag, auf den ich lange gewartet hatte. Bis dahin hatte ich in einem goldenen Käfig gelebt, in dem es meine Familie und meine Religion gab und sonst nichts. Ich hatte keine Ahnung von der großen Welt. Ich bin auf eine christliche Schule gegangen, habe dreimal in der Woche den Gottesdienst besucht und jeden Tag gebetet. Einmal in der Woche habe ich in der Heiligen Schrift gelesen. In meinem Leben ging es dauernd um Gut und Böse, aber ich hatte keine Ahnung, was das Böse wirklich war. Ich hatte die Mentalität eines fünfjährigen Mädchens, genauso unreif war ich und so unfähig, die wirkliche Welt zu verstehen. Meine Schwäche war, dass mir niemand beigebracht hatte, in der Welt jenseits der religiösen Vorstellungen und der Phantasien aus dem Fernsehen zu bestehen. Niemand hat mir das dafür nötige Wissen vermittelt, und ich habe keine Selbstschutzmechanismen entwickelt. In meinem Gefühl der Freiheit wollte ich reisen, und in meinem Überschwang wollte ich mich von nichts und niemandem aufhalten lassen.
An meinem 17 . Geburtstag habe ich mir vorgenommen, dass ich mit 18 nach Japan reisen würde, um dort zu singen. Ich hatte ein paar Auftritte und ein bisschen Erfolg gehabt und wollte diese Chance nutzen. Gegen alle Einwände meiner Eltern habe ich die Koffer gepackt und mich darauf vorbereitet, Asien kennenzulernen und mit meiner Stimme und meiner Musik zu erobern. Meine Eltern haben sich große Sorgen gemacht. Am Anfang waren sie dagegen, aber später hat sich mein Vater den Vertrag angeschaut, um sicher zu sein, dass ich nicht im Minirock oder in aufreizenden Kleidern auftreten musste. Meine Reise war ein Traum. Ich war fasziniert von der Kultur und den japanischen Bräuchen, obwohl ich später festgestellt habe, dass das künstliche Lächeln und die Höflichkeit eine Form der gesellschaftlichen Heuchelei waren. Für die Japaner sind wir Amerikaner eine Gesellschaft ohne Stolz, und sie verachten uns. Aber das habe ich erst später kapiert. Nach meiner ersten Reise habe ich gedacht, dass Japan perfekt war und dass ich dort Erfolg haben könnte.
Als ich wieder zu Hause in meinem Dorf in den Südstaaten war, habe ich in der Zeitung eine Anzeige gesehen, in der Sängerinnen und Hostessen in Japan gesucht wurden. Es war eine andere Agentur als beim ersten Mal, aber sie hat mir gefallen, weil sie viel mehr Geld geboten hat.
Der Nachtclub, in dem Rodha arbeiten sollte, war ein exklusives Lokal. Sie saß neben einem reichen japanischen Geschäftsmann, nippte Whiskey mit Cola, versuchte seine Frage zu beantworten und versicherte ihm, dass sie am ganzen Körper genauso leuchtend rote Haare hatte wie auf dem Kopf. Später wurde sie an einen anderen Tisch gerufen, wo sie sich mit den reichen Kunden unterhielt. Es waren schon einige Tage vergangen, ohne dass sie einen einzigen Auftritt gehabt hätte. Immer wieder wurde sie vertröstet. Eine Woche nach ihrer Ankunft kamen die Yakuza. Viele junge Frauen und Männer, die mit der Elite der Mafia in Kontakt kommen, sind beeindruckt von der geheimnisvollen Aura und dem Reichtum, der sie umgibt. Rodha erinnert sich:
Ich war total aufgeregt. ›Mein Gott, das sind echte Mafiosi!‹, habe ich mir gedacht. ›Das ist ja wie im Kino!‹ Aber ich habe in meinem Kopf einfach keine Verbindung zwischen diesen Mafiosi und den grausamen Verbrechen hergestellt, die sie begehen. Später, zu spät, habe ich erfahren, dass ich an diesem Abend den Käufern
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