Sklaverei
Daten, Namen und Beschreibungen von Orten und Personen helfen konnten. Trotzdem sind die Auswirkungen der posttraumatischen Belastungsstörung nicht zu verkennen. Kein Opfer kann seine Geschichte in all ihren Einzelheiten wieder und wieder nacherleben, ohne seine Psyche zu belasten und seine Genesung aufzuschieben. Das weiß auch diese junge Frau und sucht Kraft in ihrem Glauben. Sie ist überzeugt, dass Gott sie lebend aus Japan entkommen ließ, um anderen jungen Frauen zu helfen. Nach unserer Begegnung schrieb sie mir einen Brief:
In dieser Nacht bin ich gestorben. Es war der 21 . April 1989 . Wer bin ich, seit dieser Nacht bis heute, im Jahr 2007 ? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich ein Geschöpf Gottes bin.
In einem Zeitraum von 24 Stunden wurde ich von etwa 40 Männern in allen nur erdenklichen Formen vergewaltigt. Einer hatte eine Schwäche für kleine Mädchen und sprach mit mir wie mit einem Baby; er legte mich in den Whirlpool, badete mich und sang mir dazu Kinderlieder, wie ein Psychopath. Er hatte eine Glatze und war am ganzen Körper tätowiert, wie alle Yakuza. Ich hatte Todesangst. Ich, die ich in einem religiösen und sicheren Zuhause aufgewachsen war, befand mich in der Gewalt dieser Männer! Ihm fehlten zwei Finger. Vermutlich hat er nicht gedacht, dass ihn das noch einen kosten würde. Ich wollte nicht zulassen, dass sie mit mir machen, was sie wollten. Was mir in den nächsten drei Tagen in dieser Suite passiert ist, ist unbeschreiblich, die meisten Menschen können sich so etwas nicht vorstellen. Jeder hatte seine eigene Perversion. Einige haben Gegenstände in mich eingeführt, und zwar so, dass ich heftige Blutungen hatte. Bis heute kann ich wegen der Narben in den Genitalien keine Kinder bekommen.
Nach drei Tagen, während die Yakuza in der Suite schliefen, stand die junge Frau auf und rannte nackt auf die Straße. Sie trommelte gegen die Türen der Nachbarn, ohne zu wissen, wie sie um Hilfe bitten sollte. In diesem Moment fiel ihr nur ein, »Yakuza, Yakuza!« zu rufen. Schließlich öffnete ihr ein Mädchen die Tür, und sie rannte in die Wohnung. Die Kleine rief die Polizei an und bedeckte Rodhas schmerzenden Körper mit einem kleinen, kimonoartigen Bademantel.
Was die junge Frau über die Behandlung erzählt, die sie von der Polizei erfuhr, erinnert mich an das, was ich schon aus Mexiko, Kolumbien, Guatemala, Thailand und Russland gehört hatte: Die Polizei ist unsensibel, sie hat keinerlei Mitgefühl mit den Opfern und vermittelt ihnen das Gefühl, sie seien rechtlose Prostituierte. Die japanische Polizei erniedrigt die Opfer der Sexsklaverei gern in aller Öffentlichkeit. Kaum wurde Rodha aus dem Krankenhaus entlassen, brachte die Polizei sie in die Bar, in der sie verkauft worden war, um dort »ihre Version der Dinge« zu rekonstruieren. Misshandelt und unter Schock, nur mit dem Kimono bekleidet, den ihr das Mädchen gegeben hatte, musste sie aussagen.
Ich musste die Treppen hinaufgehen, die ich heruntergeflüchtet war. Polizisten begleiteten mich. Vor der Suite wartete eine Traube von Reportern mit Kameras und Mikrofonen. Sie attackierten mich mit ihren Kameras und stellten mir mit ihrem Schulenglisch tausend Fragen, aber ich konnte sie nur anstarren. Mein Kopf war vollkommen leer, und ich konnte kein Wort sagen. Ich verfiel in einen Schockzustand, der fast ein Jahr lang anhielt.
Halbnackt, nur mit dem Kimono bekleidet, habe ich ein paar Antworten gemurmelt, aber ich kann mich nicht daran erinnern, was ich gesagt habe. Ich verstand nicht, woher die Reporter gekommen waren. Die Polizei öffnete die Tür zu der Wohnung und nahm Beweise mit, die blutigen Laken, Gegenstände aus dem Müll und so weiter.
In den folgenden drei Wochen ging es zu wie im Irrenhaus. Die Behörden brachten Rodha in eine sichere Wohnung zwei Stunden von Tokio entfernt. Dort wurde sie den ganzen Tag über von der Polizei verhört. Sie wurde gezwungen, sich auf einen Tisch zu legen und vor den Beamten im Detail zu erklären, was die Yakuza mit ihr gemacht hatten. Sie sah sich Hunderte Fotos von Kriminellen an und identifizierte einige ihrer Peiniger. Als sie den ersten Schock überwunden hatte, rief sie ihre Eltern an: »Es hat mehr als zwei Wochen gedauert, ehe ich den Mut hatte, meine Mutter und meinen Vater anzurufen und ihnen alles zu erzählen, zum einen wegen des Schocks, zum anderen aus Scham über das, was passiert war. Die ganze Zeit über ist niemand auf die Idee gekommen, dass es ja eine
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