Sklaverei
vorgestellt wurde. Das Lokal war ein Club für Edelsklavinnen.
Die junge Frau hatte einen Vertrag über Gesangsauftritte und die Aufnahme einer CD unterzeichnet. Zu Beginn arbeitete sie zwar nur als Hostess, aber auch das machte ihr Spaß: Die Getränke waren kostenlos, und das Ambiente war luxuriös. Mit ihren 18 Jahren dachte sie, sie habe die Eintrittskarte zur Welt der Erwachsenen gelöst. Nach einigen Wochen wurde sie jedoch erst unruhig, dann ärgerlich und verlangte, in den Club gebracht zu werden, in dem sie auftreten sollte, wie bei ihrer ersten Reise nach Japan. Sie beschwerte sich, dass ihr Vertrag nicht eingehalten werde, den ihr Vater doch überprüft hatte. Ganz allmählich begann der Albtraum. Ihr Agent hatte ihren Ausweis und ihr Rückflugticket behalten, unter dem Vorwand, er brauche sie, um eine Arbeitserlaubnis für sie zu beantragen. Statt ihr wie im Vertrag vereinbart eine Wohnung zu geben, wurde sie in einem schäbigen Hotel untergebracht, dessen Zimmer kaum größer waren als ein Kleiderschrank. Und als wäre das noch nicht genug, gab es in ihrer ganzen Umgebung nicht eine einzige Amerikanerin, mit der sie sich hätte unterhalten können. Sie war allein.
Eines Nachts, als die Besucher die Bar schon verließen, kam eine junge Geisha namens Miko auf sie zu und lud sie ein, in einem anderen Club tanzen zu gehen.
Ich war total erstaunt, denn die Geishas waren mir als Ausländerin gegenüber immer extrem tyrannisch gewesen. Miko hatte nie ein Wort mit mir gesprochen, deswegen war ich völlig verblüfft. Aber ich habe mich gefreut und gedacht: ›Vielleicht mag sie mich ja, und wir können Freundinnen werden!‹ Deswegen bin ich mit ihr gegangen. Ich habe gedacht, wenn mich andere japanische Mädchen mit der Geisha sehen, dann würden sie vielleicht auf mich zukommen. Die meisten Hostessen waren Japanerinnen, wir waren nur drei Ausländerinnen: ein hübsches Mädchen aus China, eine kleine Philippinin und ich.
Wir sind in einen Club im sechsten Stock eines Gebäudes gefahren. Als ich den Club betreten habe, ist es mir komisch vorgekommen, dass niemand getanzt hat. Die einzigen Gäste waren zehn Männer, alles Japaner. Ich habe bemerkt, dass an den runden Tischen die Yakuza saßen, und ich hatte den Eindruck, dass sie schon auf uns gewartet haben. Ich habe einige von ihnen erkannt, die in ›unserem‹ Club gewesen waren. Ich war total fasziniert von den eleganten Mafiosi. Ich habe sie angestarrt, als wären sie eine Kuriosität, was sie für mich ja auch waren, mit ihren verstümmelten kleinen Fingern. [3] Mit meinen naiven Vorstellungen konnte ich sie nicht als das sehen, was sie wirklich waren. Ihre Macht und ihr Reichtum sind beeindruckend, und ich habe mich davon genauso blenden lassen wie andere Jugendliche. Vor den Yakuza verneigen sich die Leute nicht nur leicht, wie sie es immer zur Begrüßung machen, sondern sie küssen ihnen fast die Füße.
Nachdem Rodha mir ihre Geschichte erzählt hatte, reiste ich nach Japan und besuchte die Bars, in denen die Yakuza operieren. Ich wollte das Ambiente kennenlernen, das Rodha mir beschrieben hatte.
Es war gegen 21 Uhr. Ich ging durch den Stadtteil Ginza, ein ähnliches Nobelviertel wie die 5 th Avenue in New York. Ich wusste, wonach ich suchte. Mit einer Foto- und einer kleinen Videokamera in der Tasche ging ich langsam die Straße entlang. Plötzlich sah ich drei Geishas, die aus einer Gasse kamen, und ging näher heran. Hinter den Geishas traten zwei Männer in schwarzen Anzügen aus einer Tür ohne Schild, vor der ein großer und elegant gekleideter Wachmann stand. Ich beschloss, die Szene zu filmen, und sofort rief mir der Wachmann mit zorniger Stimme etwas zu. Ich sagte ihm, ich sei Touristin und mache Erinnerungsfotos. »Nihongo wakaranai«, sagte ich ihm: Ich spreche kein Japanisch. Danach fragte ich ihn mit unschuldigem Blick auf Englisch: »Warum stört es Sie?« Er nahm mich wortlos am Arm, führte mich zur Straße und sagte mir auf Japanisch, ich solle abhauen. Ich ging zwei Straßen weiter und setzte mich in ein kleines Restaurant, um meine Aufnahmen anzusehen, etwas zu essen und mich zu beruhigen. Als ich später einen Polizeibeamten fragte, ob es sich bei dieser Bar um eine Einrichtung der Yakuza gehandelt habe, meinte dieser, das sei sehr wahrscheinlich, aber man könne nichts gegen sie unternehmen, denn die Yakuza »verstoßen nicht gegen das Gesetz«.
Rodha gegen die Drachen
Miko und ich haben zwischen den Mafiosi gesessen,
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