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Sklaverei

Sklaverei

Titel: Sklaverei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Cacho
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nur ein Tagesvisum, mit dem ich am selben Abend wieder ausreisen musste. Die Soldaten am Grenzposten behalten den Pass als Sicherheit und geben den Einreisenden einen Beleg dafür.
    Ich musste eine Möglichkeit finden, länger zu bleiben, ohne von den Behörden entdeckt zu werden. Dazu musste ich irgendwie dafür sorgen, dass mein Pass nicht abgestempelt wurde, und zwar weder bei der Ausreise aus Thailand noch bei der Einreise in Birma. Eine thailändische Aktivistin meinte, auf diese Weise könnte ich die Durchlässigkeit der Grenzen kennenlernen und am eigenen Leib erfahren, was die Menschen erleben, die sich illegal zwischen Ländern hin- und herbewegen. Mein Plan war, drei Tage später mit meinem Pass in der Hand und dem Beweis für die Korruptheit der Grenzbeamten nach Thailand zurückzukehren. Aus Sicherheitsgründen reiste ich natürlich mit Touristenvisa durch Asien. Außerdem informierte ich meine Kontakte vor Ort und meine Freunde bei der IOM über meine Reisepläne. Meinem Mann sagte ich besser nichts, der machte sich ohnehin schon genug Sorgen wegen meines Versteckspiels mit der Mafia.
    Wie schwer würde es sein, die Grenze eines Landes zu überqueren, dessen Militärdiktatoren Verbindungen zum organisierten Verbrechen und dem Frauenhandel unterhalten? Ich benötigte einen Begleiter, der mich von Mae Sot über die sogenannte Freundschaftsbrücke nach Birma brachte. Ich nahm Kontakt zu einem Mann auf, den mir Kollegen empfohlen hatten. Die Operation kostete mich 250  Dollar: 50 für ihn, 100 für die thailändischen Grenzsoldaten und 100 für ihre Kollegen auf der anderen Seite, die mir erlauben sollten, ohne Visum nach Birma einzureisen und meinen Pass zu behalten. Der Rückweg nach Mae Sot mit einem Cousin meines Kontakts sollte mich noch einmal dieselbe Summe kosten.
    Ich sollte mit einer Gruppe von sieben weiteren Touristen einreisen. Das Spiel war ganz einfach: Ich sagte kein Wort, gab meinem Führer »Tomy« das Geld, und der erledigte den Rest. Wir betraten das verhältnismäßig moderne Gebäude auf der thailändischen Seite, und zehn Minuten später hatte Tomy die Formalitäten erledigt. Unbehelligt passierten wir den Schlagbaum und überquerten die 420  Meter lange Freundschaftsbrücke. Auf der anderen Seite wurden weitere 200  Dollar für den Zwangsumtausch fällig.
    Im Februar ist es heiß, doch die Temperaturen bewegen sich noch im Rahmen des Erträglichen. An diesem Morgen zeigte das Thermometer 36  Grad Celsius. Wir standen in der Schlange, und Tomy sprach einen Soldaten an. Ich dachte, ein mexikanischer Pass sei weniger verdächtig als der Pass anderer westlicher Länder, deren Regierungen radikalere Positionen gegenüber der Militärdiktatur und ihren Verbrechen bezogen haben. Zwei tadellos uniformierte und schwer bewaffnete Soldaten sahen sich die Pässe sehr genau an. Die Dollarscheine steckten zwischen den Seiten. In einer anderen Schlange kontrollierten sie einige Europäer in Indiana-Jones-Outfit. Ein Soldat zeigte besonderes Interesse an der professionellen Videokamera eines deutschen Touristen und schimpfte den Führer der Gruppe: »Keine Journalisten! Keine Journalisten!« Der Führer beruhigte ihn und versicherte ihm, die Gruppe wolle lediglich die Naturschönheiten des Landes kennenlernen. Schließlich erhielten sie ihr Tagesvisum im Tausch gegen ihre Pässe.
    Ich war nervös. Als ich zu dem Soldaten hinübersah, der meinen Pass in der Hand hielt, gefror mir das Blut in den Adern. Auf dem Schreibtisch vor ihm stand ein Computer: Er musste nur meinen Namen googeln, und schon konnte er sehen, dass ich Journalistin war. Ich blickte zu Boden und atmete tief ein und aus, um mich zu beruhigen. Ich zuckte zusammen, als mich Tomy am Arm berührte: »Let's go, let's go!«, drängte er. Später musste ich lachen: Die Soldaten hatten keinen Internetzugang, aber das konnte ich in diesem Moment ja nicht wissen.
    Der Markt in Myamaddy auf der anderen Seite der Grenze erinnerte mich ein wenig an Mexiko: Es war laut, und an den Ständen saßen Frauen und Männer in traditionellen Trachten. Unter die Touristen mischten sich ein paar Menschenrechtsaktivisten, die auf der anderen Seite der Grenze leben und die birmanische Realität beobachten können, ohne sich in allzu große Gefahr zu bringen. Trotzdem kommt es oft zu Konfrontationen mit den Soldaten der Junta, die jeden verhaften, der genauere Informationen über das Land sucht. Die Region ist das Zentrum des Schwarzmarktes zwischen

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