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Sklaverei

Sklaverei

Titel: Sklaverei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Cacho
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Stockend erzählt sie mir, wie sie in ein thailändisches Bordell verkauft und nach ihrer Ausweisung in Birma bestraft wurde.
    Im Jahr 1992 war Nan 15  Jahre alt und lebte zusammen mit ihrer Familie in einem Dorf im Norden Birmas. Eines Abends ließ ihr Vater sie rufen und brachte sie vor einen Soldaten, der behauptete, er suche gesunde und unberührte junge Frauen, die für die Regierung arbeiten sollten. Die Jungfräulichkeit sei besonders wichtig, betonte er, denn er könne nicht zulassen, dass eine »ehrlose« Frau den Staat in Schwierigkeiten bringe. Er gab den Eltern umgerechnet 60  US-Dollar und versprach, ihre Tochter werde in einem Jahr mit einer Ausbildung zurückkommen. Nan hatte Gerüchte gehört, dass die Soldaten Mädchen vergewaltigten und töteten, aber sie verstand nicht viel: »Wir haben zu Hause nie über Sex gesprochen. Meine Eltern waren einfache und traditionelle Bauern … Nachdem wir eine weite Strecke zu Fuß gegangen waren, brachten sie mich zu einem alten Lastwagen. Sie setzten mich zwischen Soldaten, und als einer meine Schenkel berührte, urinierte ich in mein Kleid. Sie haben sich über mich lustig gemacht und mich beleidigt.«
    Nach einer Massenvergewaltigung wurde Nan an ein Bordell auf der thailändischen Seite der Grenze verkauft. Dort wurde sie zwei Jahre lang ausgebeutet, bis eine christliche Organisation eine Razzia in dem Bordell veranlasste. Die Menschenhändler entkamen, und Nan und 14 andere junge Frauen wurden nach Hause geschickt. Noch in Thailand gab sie einer Tageszeitung aus Bangkok ein Interview, in dem sie berichtete, sie sei von einem Soldaten verkauft worden. Nachdem die thailändischen Behörden Nan nach Birma abgeschoben hatten, wurde sie verhaftet und tagelang gefoltert. Schließlich beschuldigte ein Soldat sie des Verrats und griff sie mit seiner Waffe an, um sie zu töten. Obwohl Birma das zweitschlechteste Gesundheitssystem der Welt hat, verlor Nan nur ein Auge, aber nicht ihr Leben. Ein Arzt des Roten Kreuzes versorgte sie in einer Klinik, in der es vor Ungeziefer wimmelte. Zwei Monate lang lag sie im Krankenhaus, um sich von den Folgen einer Infektion und den posttraumatischen Belastungsstörungen zu erholen.
    Nan überlebte und wurde Übersetzerin für die Menschenrechtsgruppen, die in Birma im Untergrund arbeiten. Sie strahlt ein Mitgefühl aus, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich spüre weder Zorn noch Schande oder den Wunsch nach Rache in dieser mutigen Frau, sondern eine fast mystische Anmut. Sie kann nicht schreiben, aber sie hat ein erstaunliches Gedächtnis für Zahlen und die Namen der Vergewaltiger.
    Im Rahmen ihrer »ethnischen Säuberungen« führten die Militärs Massenmorde durch. Opfer waren vor allem weibliche Angehörige der Karen, Mon, Shan und Rohingya (einer muslimischen Volksgruppe). Die Armee richtete Lager mit Sexsklavinnen ein und verschleppte Hunderte Mädchen und junge Frauen vor allem der Shan und Mon.
    Im Jahr 2006 wies der Befehlshaber Myo Win die Bewohner von 15 Dörfern im Bezirk Ye an, pro Gehöft zwei junge Frauen auszuliefern. Sie sollten unverheiratet, mindestens 1 , 60  Meter groß und zwischen 17 und 25  Jahre alt sein. Die Frauen wurden von einer Einheit von Soldaten abgeholt, um am Unabhängigkeitstag an einer Veranstaltung teilzunehmen, die die Generäle als »Modellparade« bezeichneten. Die Auserwählten wurden in eine Kaserne gebracht, mussten vor den Soldaten auf und ab marschieren und wurden anschließend drei Tage lang vergewaltigt. Als sie in ihre Dörfer zurückkehrten, wagte niemand, ihnen Fragen zu stellen. [7]
    Nach Auskunft von Frauenrechtsorganisationen sind allein in Rangun zwischen 5000 und 10   000 Frauen gezwungen, sich zu prostituieren, um zu überleben. Während viele birmanische Flüchtlinge im Ausland Zuflucht vor der Gewalt und dem Völkermord suchen, kommt es in Thailand zu politischen Spannungen, denn die Regierung unterhält nach wie vor Handelsbeziehungen zu der Diktatur, trotz der traditionellen Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Ländern.
    Rund 74   000 birmanische Frauen leben in thailändischen Flüchtlingslagern, und geschätzte 800   000 bis 1 , 5  Millionen Menschen sind aus Birma in andere Länder geflohen, wo sie ausgebeutet und wie Sklaven verkauft werden. Nach Angaben der Organisation Coalition Against Trafficking in Women ( CATW ) wurden 200   000 Frauen und Mädchen aus Birma nach Karachi in Pakistan verschleppt, wo sie als Sexsklavinnen und Bettlerinnen verkauft wurden.

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