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Sklaverei

Sklaverei

Titel: Sklaverei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Cacho
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die Klienten und die Mitarbeiter der Fluggesellschaft hatten es ihr mit ihren Taten bewiesen. Für die Helfer besteht die schwierigste Aufgabe darin, ein Vertrauensverhältnis zu den Opfern herzustellen und ihnen klarzumachen, dass sie Rechte haben und dass ihr Leben etwas wert ist, allein schon, weil sie Frauen sind.
    In einem Bericht hielten die Psychologinnen der Betreuungsstätte fest, in welchem Zustand sie die junge Frau antrafen:
    Wir wussten, dass Arely nicht verrückt war. Wie Tausende andere Opfer der Gewalt, des Menschenhandels und der Zwangsprostitution verzweifelte sie an der Ausweglosigkeit ihrer Situation. Die Nachtclub-Besitzer in Monterrey hatten sie nach Cancún geschickt. Sie wollte sich aus dieser Form der Sklaverei befreien und wusste, dass ein Fluchtversuch sie das Leben kosten konnte. Trotzdem unternahm sie den Versuch. Während der ersten beiden Tage erbrach sie alles, was sie zu sich nahm. Wir nahmen an, dass sie eine Droge erhalten hatte, doch sie verneinte, obwohl sie Entzugserscheinungen aufwies. Später erkannten wir, dass die Ursache dieser Symptome keine Sucht war, sondern der Stress ihrer Gefangenschaft, posttraumatische Belastungsstörungen und eine Überdosis von Beruhigungsmitteln, die ihr der Gefängnisarzt in verantwortungsloser Weise verabreicht hatte.
    Die vollen Lippen und der sinnliche Körper waren nur die äußere Hülle. Dahinter verbarg sich eine junge Frau, die selbst noch unter dem Einfluss der Beruhigungsmittel weinte wie ein kleines Mädchen und ununterbrochen nach ihrer Mutter rief. Die Krankenpflegerin verbrachte die erste Nacht an ihrem Bett, bis sie einschlief, in den Armen ein Plüschtier, das man ihr gegeben hatte.
    Während sie langsam aus dem Drogendämmer erwachte, fragte sie halb betäubt, ob sie wieder in der Villa sei. Sie brauchte zwei Tage, um zu verstehen, dass sie tatsächlich frei war und dass niemand sie zu irgendetwas missbrauchen würde. Nach zwei Wochen in der Betreuungseinrichtung, in denen sie eine Psychotherapie erhielt, im Garten spazieren ging und Yoga machte, setzte sich Arely mit mir zusammen und erzählte mir die Geschichte ihrer Reise in die Versklavung. Gemeinsam konnten wir das Netzwerk rekonstruieren, das sie von Venezuela nach Monterrey und schließlich nach Cancún gebracht hatte.
    Wie viele Opfer des Menschenhandels und der Zwangsprostitution erinnert sie sich mit erstaunlicher Klarheit an die Namen und das Aussehen der Menschenhändler und Beamten, die das internationale Netz des Frauenhandels bilden.
    Auge in Auge mit den Komplizen
    Als die Sozialarbeiterin von CIAM Arely vorschlug, den Direktor der Einwanderungsbehörde um Hilfe zu bitten, wurde die junge Frau blass. Sie kannte diese Männer, zumindest die Beamten, die die Mädchen aus Monterrey in Empfang genommen hatten. Sie waren in einem Privatjet nach Cancún gebracht und dort in einem Bereich abgefertigt worden, der für den Gouverneur von Quintana Roo reserviert war.
    In einem Bus mit verspiegelten Scheiben brachten die Sicherheitsbeauftragte von CIAM , eine Psychologin und ich die junge Frau zum Gebäude der Einwanderungsbehörde. Arely trug einen Schal, der ihr Haar verdeckte, und eine große, dunkle Sonnenbrille. Sie wartete bei der Psychologin, während ich den Leiter der Behörde aufsuchte. Während die Beamten vorbeigingen, identifizierte Arely sie mit Vornamen. Es war beeindruckend: Sämtliche Beamte, auch hochrangige, schienen in den Menschenhandel verwickelt zu sein – die einen waren Kunden gewesen, die anderen hatten die Frauen am Flughafen in Empfang genommen.
    Ich bat um ein Gespräch mit Fernando Sada, der erst kürzlich zum Direktor der Einwanderungsbehörde in Cancún ernannt worden war. In seinem Büro erzählte ich ihm Arelys Geschichte. Er starrte die ganze Zeit auf seine Hände, und im Laufe meiner Erzählung traten ihm die Schweißperlen auf die Stirn. Die Klimaanlage in seinem Büro war auf 18  Grad eingestellt, an der Raumtemperatur schien es also nicht zu liegen, wenn dieser Staatsdiener, der unlängst aus Monterrey hierher versetzt worden war, ins Schwitzen geriet.
    »Wenn sie in die Behörde kommen und aussagen möchte, helfen wir ihr gern weiter«, sagte Sada. Ich erklärte ihm, Arely habe Angst, ermordet zu werden, weil sie zu viel wisse.
    Mit Mühe unterdrückte er den Spott in der Stimme, als er fragte: »Wer würde denn eine Tänzerin umbringen?«
    »Sie sagt, El Diablo, der Besitzer der Bars und ein mächtiger Unternehmer aus Monterrey.

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