Sklaverei
nehmen sie ihn auf, und ich kann um Hilfe rufen. Dafür hätten sie die Wachleute.
Einmal, da hatte ich es echt dick. Ich hab geweint, weil ein Klient mich total grob behandelt hat. Ich hab dem Boss gesagt: »Wenn ihr meine Titten wollt, dann könnt ihr sie wiederhaben!« Ich hab ein Küchenmesser geschnappt und gesagt: »Ich schneid mir die Dinger raus, du Arsch!« Sie haben mich ausgelacht und mich geschlagen und bestraft. Zwei Tage ohne Essen. Allein eingesperrt. Danach habe ich mich gut benommen. Die hatten ja recht: Was hätte ich denn wieder in Venezuela gemacht? In der Armut, auf der Straße, ohne Knete, um zu studieren … Wenn man keine Möglichkeiten hat, dann macht man halt, was andere sagen, oder?
Ich fragte Arely nach ihrem Alltag in der Villa in San Pedro Garza García, der reichsten Gemeinde von Mexiko in der Nähe der Stadt Monterrey.
Es war schön, sehr gepflegt und bewacht, mit einem Polizisten am Eingang. Wir hatten ein riesiges Fernsehzimmer. Da ist den ganzen Tag der Playboy-Kanal gelaufen, und Marta, die Hauswirtschafterin, die war so um die 50 , hat uns gesagt: »Schaut genau zu, Mädels, damit ihr gut auf euch aufpasst und so Klassefrauen werdet wie die da.« Du weißt schon, wie die aus der Playboy-Villa, die haben echt ein gutes Leben da. Hugh Hefner behandelt sie gut, der respektiert sie und gibt ihnen alles, was sie wollen. Die müssen nie vor Besoffenen tanzen, die aus dem Mund stinken.
Arelys Erzählung stimmt in vielem mit den Geschichten von Frauen und Mädchen aus anderen Ländern überein. In den Häusern, in denen die Opfer untergebracht sind, soll mit Hilfe von pornographischen Filmen eine Akzeptanz für die sexuelle Ausbeutung geschaffen werden. Die Menschenhändler versuchen, die Frauen davon zu überzeugen, dass sie Pornostars werden wollen und dass dieser Traum in greifbarer Nähe ist. Die Frauen sollen glauben, dass die Ausbeutung lediglich eine vorübergehende Angelegenheit ist, dass sie schon bald frei sind und dass sie innerhalb der Sexbranche, ihrer einzigen Option, berühmt werden können. Die Männer suggerieren ihnen, sie würden sie ausbilden und die Mädchen könnten später, wenn sie gut sind, für sich selbst entscheiden.
Diese Verführungsstrategien sind in aller Welt dieselben, vor allem im Bereich der VIP -Prostitution wie dem Escort-Service, der Massage und dem Begleitservice für Unternehmer und Politiker. Diese Männer wollen keine Frauen, die aussehen wie Prostituierte, und sie wollen nicht das Gefühl haben, für Sex zu bezahlen. Sie wollen das Gefühl haben, dass sie mit einem hübschen jungen Mädchen zusammen sind, das in sie verliebt ist, oder dass sie ein besonderes Rendezvous mit diesem Mädchen haben. Deshalb lernte Arely schnell, ihre Klienten mit vermeintlichen Kosenamen wie »Schatz«, »Liebling« oder »Papi« anzureden, die den Eindruck vermitteln sollen, es handele sich nicht um sexuelle Ausbeutung, sondern um eine Begegnung unter Gleichen.
Die Routen der Prostitution
Arely erzählt, irgendwann habe sie in einer Bar einen gewissen Juan Carlos kennengelernt, einen 23 -jährigen Mann, der offenbar eine Menge Geld hatte. Zu Beginn bezahlte er, um sie besuchen und Geschlechtsverkehr haben zu dürfen, danach verführte er sie und brachte ihr Geschenke. Es war alles furchtbar romantisch, er schenkte ihr teuren Modeschmuck und Plüschtiere. Eines Tages brachte er ihr eine DVD mit und versicherte ihr, es handele sich um seinen Lieblingsfilm: Es war
Pretty Woman
mit Julia Roberts. Als das Mädchen aus Venezuela den Film sah, war sie verzaubert. Juan Carlos war ihr Richard Gere, und er würde ihr sicher einen Antrag machen. Warum auch nicht?
Eines Morgens wurden die Mädchen zusammengerufen, die inzwischen seit einem Jahr in Monterrey waren. El Diablo, der Besitzer der Bars, verkündete: »Ihr seid schon ziemlich professionell, und das hier ist viel zu langweilig für euch. Wir haben eine Überraschung. Ihr geht nach Cancún und arbeitet dort in einem schönen Club am Meer.« Einige sollten im
Black Jack
arbeiten, andere beim
Caribbean Escort Service
, wieder andere im
The One
. Arely war am Boden zerstört, aber als sie Juan Carlos davon erzählte, meinte er, das sei doch eine prima Idee, er würde sie in Cancún besuchen und später würden sie zusammen abhauen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Endlich war sie auf dem Weg in Richtung Freiheit.
Als Arely sich später mit einer Brasilianerin unterhielt, musste sie jedoch erfahren, dass Juan
Weitere Kostenlose Bücher