Sklavin der Hölle
Urlaub, auch wenn das Wetter nicht besonders ist. Ich musste mal raus. Ich konnte wirklich nicht mehr im Büro herumhängen und die Bestellungen für Fleisch entgegennehmen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich einen derartigen Job bis zu meiner Rente machen soll, wird mir ganz anders.
»Das brauchen Sie bestimmt nicht.«
»Haben Sie eine Alternative, Jennifer?«
»Möglich.«
Glenda’s Augen blitzten. »Der Vorschlag vorhin war zwar etwas allgemein gehalten, aber ich kann mir vorstellen, dass schon etwas mehr dahinter steckt – oder?«
»Steckt es.«
»Und was?«
»Wir werden später noch darüber reden.«
»Wann ist später? Heute Abend. Morgen oder übermorgen?«
»Nein, nein, gleich.«
Glenda sah im Spiegel, dass sich Jennifers Augen bewegten. Und das nicht ohne Grund, denn ein Mann erschien auf der großen Fläche. Er war im Hintergrund aufgetaucht. Er sah aus wie ein Schatten und schwebte so gut wie lautlos heran.
»Das ist die neue Kundin, Jenny?«
***
»Ja, Miro.«
»Wie schön.« Er tätschelte Jennifers Wange. »Dann lass uns zwei Hübsche mal allein.«
»Ja, bis gleich...«
»Du machst das schon richtig, Jenny...«
Glenda hatte Zeit genug gehabt, sich den Meister der Schere und des Kamms genau anzuschauen. Miro Maxwell war wirklich eine besondere Erscheinung.
Man konnte ihn als einen typischen Figaro ansehen. Sehr dünn, sehr beweglich, und auch das Outfit passte perfekt.
Schwarz. Was hätte es auch anderes sein können. Die schwarze Hose, das graue Hemd, die schwarze Weste. Aus dem Hemdausschnitt wuchs der dünne Hals des Mannes, auf dem der Kopf mit einem Gesicht versehen war, das man so leicht nicht vergessen konnte.
Sehr schmal, sehr hager. Ein spitzes Kinn, an dem ein Bart wie aus schwarzem Schaum wuchs. Die gebogene Nase über der dünnen Oberlippe, die Augen unter den schwarzen Brauen, die tief in den Höhlen lagen und ebenfalls dunkel waren. Die hohe Stirn, in die einige Strähnen fielen und dabei aussahen wie dünne Drähte, die ihre Form auch nicht veränderten. Perfekter hätte ein Figaro nicht aussehen können.
Als er einen ersten Blick auf Glenda’s Haare warf, geriet er beinahe in großes Entzücken. »Wunderbar, wunderbar, Glenda...«
»Sie kennen meinen Namen?«
»Ja.« Er strich mit den Handflächen sanft über das Haar hinweg. »Ich kenne die Namen aller meiner Kundinnen. Wer einmal bei mir war, kommt immer wieder. Und so habe ich auch die Namen parat. Das gehört einfach zu einem guten Service dazu.«
»Wenn das so ist...«
»So ist es, und so bleibt es.« Der Figaro tänzelte um Glenda herum, aber er behielt sie im Blick, was ihr sehr bald auffiel, und so konzentrierte sie sich auf seine Augen, die recht starr waren und nichts von dem Lächeln Wiedergaben, dass seine Lippen zeigten. Glenda stufte diesen Menschen als den perfekten Schauspieler ein, aber das sagte sie ihm nicht. Sie behielt es für sich und machte sich ihre Gedanken.
»Das sieht alles sehr gut bei Ihnen aus, Glenda.« Er fuhr mit der rechten Hand durch ihr Haar, und Glenda bekam das leichte Kratzen der Fingernägel auf ihrer Kopfhaut mit. »Haben Sie schon darüber nachgedacht, welch eine neue Frisur sie haben möchten?«
»Nein, wenn ich ehrlich sein soll. Da vertraue ich ganz Ihrem Blick und Ihrem Können.«
»Oh, das ehrt mich.« Maxwell ließ die Arme sinken. »Was war denn der Anlass, zu mir zu kommen?«
»Man hat Sie mir empfohlen.«
»Sehr gut. Und wer war das? Die Warnung, die manchmal über mich in den Gazetten steht?«
»Nein, nein, die habe ich zwar auch gelesen, aber ich habe doch lieber dem Urteil einer Bekannten vertraut.«
»Das ist schön. Darf ich den Namen wissen?«
Glenda hatte darauf hingearbeitet, dass er diese Frage einfach stellen musste, und die Antwort kannte sie natürlich längst. Sie hielt damit auch nicht hinter dem Berg.
»Lina Davies.«
»Ah ja.«
»Kennen Sie Lina?«
Miro Maxwell nickte. »Ja, natürlich.«
»Nun, sie hat jedenfalls sehr geschwärmt.«
»Kannten Sie Lina denn näher?«
Glenda hob die Schultern. »Was man so näher kennt. Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten. Beruf, Mode, Freundschaft. Und sie schien recht zufrieden zu sein, denn sie hat von einem kleinen intimen Kreis gesprochen, dem sie angehört.«
»Näheres hat sie nicht gesagt?«
»Nein. Sie haben viel gemeinsam unternommen, hieß es. Aber was das genau war, kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Dafür sind Sie ein wenig neidisch geworden – oder?«
Glenda überlegte.
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