Sklavin des Herzens
Herzenswunsch seines Großvaters erfüllen.
Doch im Moment hatte er die letzte Nacht an Land vor sich, dann erwarteten ihn Wochen auf See und nur in männlicher Begleitung. Auf dem obersten Treppenabsatz drehte er sich um und winkte mit dem Finger ein Hausmädchen herbei, das unten vorüberging. Es war unwichtig, um welches Mädchen es sich handelte. Er kannte sie alle intim.
Er lächelte, als er sie kichern hörte, und wartete, während sie die Stufen hinauf eilte. Es war Ciaire, eine hübsche kleine Brünette mit einem unstillbaren Appetit – eine gute Wahl.
»Wir haben gehört, daß Sie verreisen, Mylord«, meinte sie, als er den Arm um sie legte. »Margie und ich hatten geplant, Sie später in der Nacht zu besuchen und Ihnen auf Wiedersehen zu sagen.«
»Tatsächlich?« entgegnete er langsam, und seine Finger streiften wie zufällig ihre Brust. »Dann können wir uns jetzt verabschieden, und ich sehe Margie später – wenn du mich nicht bis zur Erschöpfung strapazierst.«
Sie kicherte erneut, während er sie zu seinem Zimmer führte. Es war ein Laut, der ihn nicht störte, denn er war damit aufgewachsen – in einem Harem. Daß er die Frauen liebte, war ganz natürlich nach so einer Kindheit. Er hatte befürchtet, daß er bei seiner Umsiedlung nach England eines bedauern würde: daß er nie seinen eigenen Harem haben könnte. Dieses Bedauern empfand er nicht, da er eine Schar Mädchen zur Verfügung hatte, Dienerinnen, die daran gewöhnt waren, ihrem Herrn zu gefallen. Doch er vermißte die Sinnlichkeit des Orients, wo ein Mann selten nur einer Frau seine Zärtlichkeit schenkte. Hier forderten die feinen Damen ewige Hingabe und absolute Treue. Das war undenkbar, und doch akzeptierte er dieses westliche Charakteristikum.
Er erwartete es bei Caroline. Er wußte, daß sie jetzt an seine Treue glaubte. Daß er nicht treu war, verursachte ihm jedoch keine Schuldgefühle. Es war nicht so, daß er Caroline nicht angebetet hätte – wenn sie im Orient gewesen wären, hätte man in ihr seine Ikbal, seine Lieblingsfrau, gesehen. Aber sie war mehr als das. Sie war auch seine liebste Freundin, etwas, das im Orient nicht möglich gewesen wäre, denn dort betrachtete man Frauen nicht als Kameradinnen. So beabsichtigte er ernsthaft, ihr, nach englischen Maßstäben, ein guter Ehemann zu sein und ihr keinen Kummer zu bereiten. Er mußte sich eben diskret verhalten.
Doch das galt für später. Er hatte die eine und einzige noch nicht zur Frau genommen. Im Moment lag die lange Reise nach Barka vor ihm – und eine lange Zeit, ehe er wieder so ein anpassungsfähiges Wesen fand wie Claire.
8
»Kommen Sie, Lalla, Sie müssen etwas essen.«
»Warum?«
Hakeem schaute bekümmert auf die junge Frau, die zusammengerollt auf dem niedrigen Bett lag. Ihre Augen waren vom Mangel an Schlaf bläulich umrandet. Ihr Haar bildete ein wirres Durcheinander silberner Strähnen, da sie es nicht kämmte und Hakeem nicht erlaubte, es zu berühren. Sie trug das gleiche Gewand, das sie vor vier Tagen angezogen hatte, als man ihr ihre Kleider zurückgegeben hatte – eine lilafarbene Robe, die ihre Blässe betonte. Sie wechselte das Kleid nicht, und sie schlief darin. Das einzige an ihr, das seinen Glanz nicht eingebüßt hatte, war ihre Stimme, die gelegentlich verdrossen, aber meistens kalt und feindselig klang.
Sie anerkannte die Änderungen nicht, die Hakeem in der kleinen Kajüte vorgenommen hatte. Streifen leuchtender Seide hingen von den Wänden, und weiche Fellteppiche bedeckten nun den ganzen Boden. Eine dicke Matratze, in Seide gehüllt und mit großen Kissen geschmückt, diente als Bett. Eine kupferne, hüfthohe Badewanne thronte in einer Ecke hinter einer Gitterwand. Eine kleine Truhe mit süß duftenden Seifen und Ölen stand daneben. Chantelle rührte nichts an. Das Wasser, das Hakeem jeden Tag für sie erhitzte, wurde unbenützt wieder kalt.
Und sie aß nichts, seit ihrer Gefangennahme hatte sie keinen Bissen zu sich genommen. Der Kapitän hatte ihr sogar seinen persönlichen Vorrat an Delikatessen angeboten – ohne Erfolg. Hakeem war am Ende seiner Weisheit angelangt. Er hatte Chantelle versichert, daß sie nichts zu befürchten habe, daß ein Leben in Reichtum und voller wunderbarer Vergnügungen auf sie warte, daß sie vermutlich von einem hohen Staatsmann gekauft würde, der eine Frau wünschte, daß Ehefrauen mehr Freiheit genossen als Konkubinen. Er hatte sie beschworen, sie würde glücklicher sein, als sie es sich
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