Sklavin des Herzens
ängstigen sich sogar um mich, wenn ich den äußeren Hof betrete, ganz zu schweigen von dem Areal außerhalb der Palastmauern. Das Problem besteht darin: Bei mehr als tausend Sklaven in diesem Gebäude ist es leicht, Dutzende meiner eigenen Leute zu bestechen, so daß sie mich belauern und jeden meiner Schritte nach draußen berichten. Ich kann den Palast nicht verlassen, nicht einmal in Verkleidung, ohne daß die Attentäter es erfahren – und auf diese Gelegenheit warten sie ja nur.«
»Stimmt, man kann den Palast zu leicht beobachten, weil er nur ein Haupttor besitzt.«
Jamil nickte. »Zeitweise werden sie ungeduldig und schicken ein oder zwei ihrer Halunken herein, um mich zu schnappen. Erst letzten Monat gelangte einer bis zu meinem Schlafzimmer, tötete die beiden Türsteher und versuchte, über den Boden kriechend, mein Bett zu erreichen. Glücklicherweise waren meine Leibwächter flinker als die anderen, und einer entdeckte den Hund, ehe er mich umbringen konnte.«
»Und alle die anderen Wächter?«
»Die meisten wurden betäubt, wir haben nur noch nicht feststellen können, wie. Einige wurden getötet. Offenbar kletterten die Täter über die Mauern des dritten Hofes, nachdem sie meine Löwen vergiftet hatten, die nachts frei herumlaufen.«
Derek schüttelte den Kopf und seufzte. »Das alles ist ein schmutziges Geschäft, Jamil. Ich würde gern eine etwas aktivere Rolle darin übernehmen, um es zu beenden, aber wenn du denkst, es sei besser, daß ich für eine Weile in deine Identität schlüpfe, dann will ich es versuchen.«
»Das willst du wirklich tun?«
»Habe ich es nicht gerade gesagt? Außerdem hat mich meine Regierung – natürlich inoffiziell – gebeten, alles in meiner Macht Stehende zu unternehmen, um die dir drohende Gefahr abzuwenden. Mit dem Risiko, dir bei allen zukünftigen Verhandlungen mit England die Oberhand zu geben, bekenne ich, daß meine Regierung dich allen möglichen nachfolgenden Herrschern vorzieht. Und ich vermute, daß ich durch unseren Tausch, der die Bedrohung ja von dir nimmt, genau das tue, was man von mir erwartet.«
»Es ist ärgerlich, daß diese fremden Konsuln so gut Bescheid wissen, was hier alles passiert, und es ihren Regierungen melden.«
. »Sie wissen nicht einmal halb soviel, wie sie gern möchten, Jamil«, meinte Derek. »Aber sag, muß ich mir so ein Prachtstück wachsen lassen, oder wirst du deines abrasieren?« Er berührte Jamils üppigen Bart.
Jamil stöhnte. »Vermutlich ging meine Hoffnung, du wärst ebenfalls Bartträger, zu weit. Du wirst nicht genügend Zeit haben, dir einen in meiner Länge wachsen zu lassen. Allah möge mir beistehen, das Opfer ist fast zu groß …«
Derek brach über Jamils Miene in Gelächter aus. »Komm, Bruderherz, du siehst doch selbst, wie du ohne aussiehst.« Er rieb sein glattrasiertes Kinn. »Ich bekomme keine Beschwerden von den Damen.«
»Ja, du wirkst jünger als ich«, stellte Jamil nachdenklich fest.
»Und ich kann mich der Verehrerinnen kaum erwehren.«
»Aufschneider.« Jamil grinste. »Du kannst nicht dieselben Probleme haben wie ich mit meinen siebenundvierzig Konkubinen.«
»Sind das alle?« meinte Derek scherzhaft. »Mustafa muß vor seinem Tod wenigstens zweihundert gehabt haben.«
»Mustafa war es egal, wie viele unbeachtet dahinsiechten.«
Derek hob neugierig die Brauen. »Du erstaunst mich, Jamil. Das wäre vermutlich meine Sorge, nach neunzehn Jahren Aufenthalt in England – aber du?«
»Vielleicht sind wir gar nicht so verschieden, nicht einmal nach so einer langen Trennung.«
»Vielleicht«, stimmte Derek zu. »Weil wir gerade von deinen Frauen reden – was werden sie denken, wenn du sie so lange nicht rufen läßt?«
Jamil senkte den Blick, und seine Stimme klang gedämpft. »Sie werden gerufen werden – von dir. Du mußt alles tun, was ich tun würde.«
Derek war nicht so unsensibel, daß er den Scherz nicht herausgehört hätte, der in diesen Worten lag. »Sei nicht absurd!«
Das klang so heftig, daß Jamil seinen Bruder erstaunt ansah. Er hatte hier keine Einwendung erwartet. Er selbst war es, der etwas dagegen einzuwenden hatte – mit jeder Fiber seines Wesens, denn er war ein äußerst besitzergreifender Mensch. Er mochte es beklagen, daß er mehr Frauen hatte, als er benötigte oder sich wünschte, aber es waren seine Frauen. Nichts würde ihm je in seinem Leben schwerer fallen, als seinen Harem einem anderen Mann zu öffnen. Eigentlich forderte sein Stolz von ihm, daß
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