Sklavin des Herzens
Bedrohung reagieren.«
»Was die Schwarze tat, würde ich nicht als Bedrohung bezeichnen«, hatte er empört hervorgestoßen. »Wie konnte er nur so streng sein …«
»Ich vermute, Ihre Kritik bezieht sich darauf, daß er die Sklavin seinen Wächtern gibt?« meinte Omar, der die wenigen Peitschenhiebe nicht erwähnenswert fand. »Aber das ist kein Grund zur Beunruhigung. Bestenfalls hat eine Handvoll Männer dienstfrei, um die Afrikanerin zu empfangen. Man wird sich um ihre Wunden kümmern.«
Er hielt es nicht für nötig hinzuzufügen, daß sie als bereits entjungferte Sklavin, die ihres Meisters nicht mehr würdig war, als reines Lustobjekt diente und von jedem benutzt werden konnte. »Außerdem war es eine Lektion für die anderen beiden.«
Eine Lektion, gegen die sich die Blondine aufgelehnt hatte. Nun schätzte sie Jamil gering, und nicht einmal die Zugeständnisse, die er ihr gemacht hatte, konnten daran etwas ändern.
Derek mußte sich zwingen, nicht mehr darüber zu grübeln. »Was die morgige Vorführung des ganzen Harems betrifft«, sagte er, »so ist das nicht nötig. Geben Sie mir nur die Namen der Frauen, an denen Jamil nichts liegt.«
»Es wird Jamil nicht gefallen, wenn er zurückkommt und feststellt, daß er kein Opfer bringen mußte, während Sie …«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Omar«, unterbrach Derek ihn. »Bestimmt werde ich wenigstens eine seiner Favoritinnen zu mir rufen. Das sollte ihn beschwichtigen.« Und er wußte genau, welche, denn er war sicher, daß es sich bei der einen der Frauen, die er heute am frühen Abend gesehen hatte, um die vermißte Charity Woods handelte.
»Danke«, sagte Omar zu Dereks Überraschung.
»Für was?«
»Dafür, daß Sie Ihren Bruder lieben.«
Später, als sich Derek in sein Zimmer zurückgezogen hatte, konnte er nicht schlafen, weil er immer noch an die Blonde dachte. Wer war sie? Würde er ihren Namen kennen, wenn er ihn erfuhr?
Nicht, daß das wichtig gewesen wäre. Prinzessinnen, Damen der Gesellschaft, Bauernmädchen – hier waren sie alle gleich, wenn sie das Unglück gehabt hatten, gefangengenommen zu werden: Sklavinnen, die benutzt, mißbraucht, verkauft und wiederverkauft, sogar getötet werden konnten – nur durch die Laune ihres Besitzers. Und nachdem Derek Haji Aghas Erklärung gehört hatte, wie die Silberblonde in die Hände der Seeräuber gefallen war, wußte er, daß er indirekt für ihr Hiersein verantwortlich war. Was er dabei empfand, konnte er kaum definieren. »Ironie des Schicksals«, wie Jamil es sah, war milde ausgedrückt, besonders nun, da diese junge Frau sozusagen ihm gehörte.
Was würde er mit ihr machen? Er wußte, was er gern täte. Himmel, von dem Moment an, als ihre Schleier gelüftet wurden, konnte er kein Auge mehr von ihr lassen. Zugegeben, selbst für seinen Geschmack war sie zu dünn. Er mochte wenigstens ein bißchen Fleisch an seinen Frauen. Doch das war nicht mehr wichtig, als sie mit Jamil so dicht vor dem Gitterfenster stand – und er verspürte eine unglaubliche Erregung, als er wußte, was sein Bruder tun würde. Ungeduldig wartete er, bis Jamil beiseite trat. Als er dann ihre kleinen, perfekten Brüste sah, reagierte sein Körper sofort. Seine Männlichkeit füllte sich, schwoll an und sehnte sich danach, von ihr berührt zu werden.
Aber würde er tatsächlich seinen Gefühlen freien Lauf lassen? Sie war eine Jungfrau. Sie war gegen ihren Willen hier. Sie war Engländerin, um Himmels willen! Und – was noch schwerer wog – sie verabscheute Jamil, nach dem, was er heute nacht getan hatte, und er, Derek, würde Jamils Platz einnehmen. Wie konnte er mit gutem Gewissen die Situation für sich ausnützen, da er all das wußte?
18
Chantelle saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem unförmigen tiefblauen Seidenkissen. Sie hielt die Hände wie zum Gebet verschlungen in ihrem Schoß. Die weiß hervortretenden Fingerknöchel verrieten die innere Anspannung der jungen Frau. Das Kissen diente ihr als Stuhl, denn es gab keine gewöhnlichen Stühle in dem Raum, keine Stühle in ganz Barka, soweit sie das beurteilen konnte.
Auf der gegenüberliegenden Seite eines niedrigen Tisches trank Haji Agha in kleinen Schlucken seine zweite Tasse des dicken schaumbedeckten Gebräus, das sich türkischer Kaffee nannte. Chantelles erste Tasse war inzwischen kalt, unberührt. Schräg vor der Wand saß ein Protokollführer, ebenfalls auf einem Kissen. Seine Hand ruhte auf einem Schreibtablett und wartete darauf,
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