Skorpion
ließ sich zaghaft auf seinem Stuhl nieder und zuckte zusammen. Er klopfte sich die Taschen nach seiner Packung Kiemen ab, fand sie und steckte sich eine neue in den Mund. Er verdrehte das Ende, bis es aufriss, und zog daran, bis es sich entzündete. Stieß den Rauch aus dem Mund und in seine Nase hinauf. Sevgi sah darin Zeitschinderei. Der Hacker zuckte mit den Achseln.
»Was möchtest du also wissen?«
»Horkan’s Pride«, sagte Reyes gleichmütig.
»Ja, das habt ihr erwähnt. Großes Raumschiff, ist letztes Jahr heimgekehrt. Ins Meer abgestürzt, heißt es.« Er blies blassen Rauch davon. »Also?«
»Warum hast du das also getan?«
»Warum habe ich was getan?«
Die beiden Koloniepolizisten wechselten theatralisch einen Blick der Erschöpfung. Reyes trat ein paar Schritte vor, hob die Hände, formte sie zu Klauen.
»Abwarten!«, sagte die Frau. Es hörte sich inszeniert an, offenkundig falsch nach den unmerklichen Signalen, die die beiden Polizisten zuvor ausgetauscht hatten.
»Ja, warte ab«, stimmte Gutierrez zu. »Ihr wollt mich mit irgendeinem Systemabsturz auf einem anderen verdammten Planeten in Verbindung bringen? Ich meine, damals war ich gut. Aber nicht so verdammt gut.«
»Da haben wir aber was ganz anderes gehört«, knurrte Reyes.
»Was habt ihr also genau gehört?«
»Warum erzählst nicht du uns das, pendejo?«
Gutierrez legte den Kopf auf eine Seite. »Warum erzähle ich euch, was ihr gerade gehört habt? Was bin ich denn jetzt, verdammt, Gedankenleser?«
»Hör mal, du Arschloch…«
Marsalis stöhnte, eine kleine, theatralische Verzweiflung. Sevgi fiel es schwer, kein Mitgefühl zu zeigen. Die Kolonie versaute es dermaßen, dass es kaum zu glauben war.
Nichtsdestoweniger standen sie es durch. Das Verhör drehte sich mehrmals im Kreis, angemessen bis zum dritten Grad und wieder zurück, aber in einer ständigen Abwärtsspirale. Gutierrez sog Kiemenrauch und Kraft in den Ruhepausen ein und ließ Reyes’ Brutalität über sich ergehen, wenn es dazu kam. Er gab keinen Millimeter nach. Sie brachten ihn humpelnd, mit gebrochenem Kiefer und einem blauen Auge hinaus, versorgten ein verstauchtes Handgelenk. Er lächelte blutig in eine der Kameras, als er weggeführt wurde. Die Anzeigen für die Lebenszeichen brachen zusammen, nachdem er den Raum verlassen hatte, die leitende Beamtin zeichnete formell ab. Der Bildschirm wurde schwarz.
Marsalis seufzte. »Seid ihr jetzt glücklich?«
»Ich werd’s sein, wenn du mir sagst, was du denkst.«
»Was ich denke? Ich denke, außer bei einer professionellen Folter mit Elektroden und Psychopharmaka wird Gutierrez der Kolonie nichts Wertvolles sagen. Wie lange ist das jetzt her?«
»Ein paar Tage. Norton hat die Arrestorder in der Nacht rausgeschickt, als wir nach Istanbul geflogen sind.«
»Seitdem haben sie ihn bearbeitet?«
»Ich glaube nicht. Das ist alles, was wir haben. Ich glaube nicht, dass sie mit ihm bis zur nächsten Ebene gehen, bevor sie was Handfestes von uns haben.«
»Ja, und sie verschwenden wahrscheinlich nach wie vor ihre Zeit. Erde oder Mars, die familias haben zu viel in Burschen wie den da investiert. Sie kümmern sich früh um die Guten, geben ihnen dieselbe synaptische Konditionierung, die man in der Biotech bei verdeckten Operationen zu sehen bekommt. Zeugs, nach dem sich das Gehirn eher in warmen Brei verwandeln wird, statt verbotene Informationen auszuspucken.«
»Sie glauben, er trägt bereits so was in der Art in sich?«, fragte Rovayo mit ziemlich großen Augen.
»Wenn ich ihn für mich arbeiten ließe, hätte ich das bereits vor Jahren eingebaut.« Marsalis reckte sich gähnend in seinem Sitz. »Hinzu kommt, vergesst nicht, dass Gutierrez ein Hacker ist. Diese Knaben leben für die Virtualität, sie verbringen ihr ganzes Leben damit, genau jene physikalische Realität abzuschalten, die Folter mit sich bringt. Wenn sie in einem gut sind, dann in der Distanzierung vom eigenen Leib. Damals in den frühen Tagen, als die Technologie noch in den Kinderschuhen steckte und das Einklinken weit mehr ein Vabanquespiel war als heutzutage, sind viele Hacker an so blöden Dingen wie Dehydrierung oder Verbrennungen gestorben, weil ihnen ein Feueralarm entgangen ist. Ich erinnere mich, wie Gutierrez mir einmal sagte: Schmerz – das ist bloß eine Art und Weise, auf die dein Körper dir mitteilt, wie teuer dich das, was du gerade tust, zu stehen kommen wird – man muss bloß mitgehen und die Rechnung begleichen. Auf dieser
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