Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
das Wasser durch die Fenster sehen konnten. Es fühlte sich an wie nachlassender Druck. Auf den oberen Galerien führte ihn Rovayo zu einem Laden namens Lima Alpha, wo es Stühle und Tische mit Ausblick über die Bucht gab. Sie besorgte hochprozentige Pisco Sour für sie beide, reichte ihm seinen und sank mit einem festen, spekulativen Blick in den Stuhl ihm gegenüber. Er nippte an dem Cocktail und musste zugeben, dass er ziemlich gut war. Sein Ärger flaute ab. Sie sprachen nicht viel, tranken, nahmen das spätnachmittägliche Sonnenlicht in sich auf. Wechselten an einem Punkt von Amenglisch zu Spanisch. Ihre Haltung wurde lockerer, sie sanken tiefer in ihre Sitzgelegenheiten. Keiner von beiden tat den offensichtlichen Zug.
    Schließlich meldete sich Rovayos Handy. Sie schnitt ein Gesicht, zog es hervor und hielt es sich, nur Ton, ans Ohr.
    »Ja, bitte?« Sie hörte zu, schnitt erneut ein Gesicht. »Auf dem Weg nach Hause, warum?«
    Eine männliche Stimme rieselte dünn aus dem Handy, fern und ununterscheidbar.
    »Roy, ich bin seit dreißig, nein, warte«, sie schaute auf die Uhr, »seit fünfunddreißig Stunden nicht mehr zu Hause gewesen. Ich habe seit zwölf Stunden nicht mehr geschlafen, und das waren neunzig Minuten auf dem Sofa im Operations…«
    Knisternder Einspruch. Rovayos Augen funkelten.
    »Nein, es war verdammt nicht…«
    Coyle knatterte noch etwas. Sie schnitt ihm das Wort ab.
    »Sieh mal, versuch mir nicht zu sagen, wie viel Schlaf ich hatte, Roy. Du bist nicht…«
    Fauch, fauch, knister.
    »Ja, ja, du hast recht, wir alle sind müde, und wenn du so verdammt müde bist, Roy, weißt du, was du dann tust? Du schläfst eine Runde. Ich werde mir keine weitere Nacht um die Ohren schlagen, nur damit du einen Polizisten der alten Schule für Tsai spielen kannst. Außer in diesen Streifen aus der Zeit vor der Jahrtausendwende, die du so sehr liebst, kann niemand einen solchen Fall lösen. Ihr Knaben wollt so tun, als wäre die neue Mathematik nie erfunden worden. Na gut, wie du willst, aber ich gehe nach Hause.«
    Weiteres unterdrücktes Knistern. Rovayo warf einen Blick zu Carl hinüber und hob eine Braue.
    »Nein«, sagte sie tonlos. »Hab ihn nicht gesehen. Hat er kein Handy? Nein? Dann Versuchs vielleicht in seinem Hotel. Bis morgen!«
    Sie schaltete ab.
    »Die Leute suchen Sie«, sagte sie.
    »Oh.«
    »Ja. Soll man Sie finden?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Habe ich mir gedacht.« Sie leerte ihr Glas und warf ihm erneut diesen spekulativen Blick zu. »Na ja, ich würde sagen, in Ihrem Hotel geht es jetzt ziemlich lebhaft zu. Möchten Sie noch einen Drink bei mir?«
    Er erwiderte ihren Blick. »Ist die Frage ein Trick?«
    Das Revier Alcatraz unterhielt intelligente Hubschrauber-Shuttles für sein Personal, sieben Tage, vierundzwanzig Stunden, zu beiden Seiten der Bucht. Der Oakland-Service hielt an mehreren Stellen in Fußreichweite zu Rovayos Wohnung. Sie gingen unbeschwert dahin, Pisco Sours und das gemeinsame Gefühl des Schwänzens, sie lachten in der Luft des frühen Abends. Sie fragte ihn, wie es dazu kam, dass er Spanisch sprach, und er erzählte ein wenig von Marisol, ein wenig mehr vom Mars und den Oberland-Projekten. Wie zuvor schon schien sie nach jeder Einzelheit zu gieren. Sie berührten einander weitaus häufiger, als es ihr spanischer Hintergrund als kulturelle Norm hätte abschreiben können. Die Signale kamen klar und deutlich durch. Sie stiegen die Treppe hinauf, und in der Tür zu ihrer Wohnung in der zweiten Etage grinsten sie sich ein paar Mal an, kurz vor der Umklammerung.
    Die Tür schloss sich hinter ihnen mit einem festen Klacken sowie dem Gegurgel elektronischer Sicherheitsvorrichtungen, die sich automatisch einschalteten.
    Ihre Zurückhaltung zerbrach in hungrige Teilchen auf dem Boden.
     
    »Was möchtest du jetzt also tun?«
    Sie stand immer noch vor ihm, die Hüfte vorgestreckt, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Trotz allem spürte er, wie es in seinem wunden, eingeschrumpften Schwanz bei dem Anblick wiederum zuckte.
    »Ich habe gedacht, du wärst müde.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »War ich auch. Zyklisch, vermute ich mal. Gib mir noch einige Stunden, und ich werd’s wahrscheinlich wieder sein.«
    »Du hast nicht zufällig irgendwelche Erweiterungen, weil du mich dermaßen anmachst, oder?«
    »Nein, verdammt.« Auf einmal lag eine echte Schärfe in ihrer Stimme. »Sehe ich so aus, als wär ich derart betucht? Meinst du, ich würde für RimSich arbeiten, wenn meine

Weitere Kostenlose Bücher