Skorpion
verabschieden.«
»Nein.« Carl zog den Direktor von COLIN auf seinen Schoß, schloss einen Arm um den Hals des Mannes, legte die freie Hand an den Schädel. »Ich bin nicht hier, um Ihnen das Dahinscheiden leichter zu machen, Ortiz. Ich bin hier, um das zu nehmen, was Sie schuldig sind.«
»Bitte…«
Carl ruckte und drehte. Ortiz’ Hals brach wie morsches Holz.
Irgendwo in der Suite ging leise klingelnd der Alarm los, das Jaulen einer besorgten Gesellschaft aus Wiederkäuern. Bedeutender Mann am Ende. Schart euch zusammen, sammelt euch, bildet einen Mob.
Das Untier ist los.
52
Das Notfellteam kam rasch – weniger als volle zwei Minuten, nachdem die Mikrochips unter Ortiz’ Haut und die Sirenen Alarm ausgelöst hatten. Aber lange zuvor hatte das Sicherheitskommando die Sirenen gehört und war aus Prinzip zur Tür hereingestürzt. Sie fanden Ortiz in seinem Rollstuhl vor, zu einer Seite zusammengesackt. Norton und Marsalis starrten ihn an.
»Sir?« Die Kommandantin sah Norton an.
»Sichern Sie den ganzen Korridor ab!«, ordnete Norton geistesabwesend an. »Rufen Sie weitere Kräfte zur Unterstützung herbei! Ich möchte nicht, dass irgendwer, auch nicht NYPD, ohne meine Zustimmung hier heraufkommt.«
»Aber, aber…«
»Tun Sie’s einfach!« Er wandte sich an Carl. »Sie setzen sich besser in Bewegung.«
Carl nickte, warf einen weiteren Blick auf Ortiz und verließ dann den Ring, den das Sicherheitskommando unbewusst um den Leichnam gezogen hatte. Ohne sich umzuschauen, verließ er den Raum, die Suite und betrat den Korridor, wo er dem Notfallteam über den Weg lief, das mit rasender Schnelligkeit herbeieilte, mit der Ausrüstung für Wiederbelebungsmaßnahmen, mit Rolltrage und weißen Kitteln, dem diensthabenden Notarzt und allem Drum und Dran.
Er trat beiseite und ließ sie an sich vorbeieilen.
Nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, ging er eilig davon, zwei Blocks nach Westen und vier nach Süden, und verlor sich in dem sonnenglitzernden Trubel der Stadt. Er schälte sich aus seiner S(t)igma-Jacke, holte die Packung Telefone heraus, drehte die Jacke daraufhin auf links und warf sie in den erstbesten Abfallkorb, den er sah. Die Kälte biss durch sein Hemd, aber in seiner Tasche hatte er von COLIN anerkannte Karten stecken, und er hatte Zeit.
Er trat an eine Straßenecke, schaute auf seine Uhr und schätzte die Fahrtzeit zum JFK-Suborb-Terminal ab. Hoffte, dass Norton seine Seite der Abmachung einhalten konnte.
Dann zog er ein neues Telefon aus der Packung, schaltete es ein und wartete ab, bis es sich in das Netz der Union einklinkte. Mit der anderen Hand grub er in seiner Hosentasche herum und zog das Foto sowie eine Liste hingekritzelter Nummern hervor, die Matthew in der Nacht zuvor für ihn herausgefischt hatte.
»Okay, Sev«, murmelte er in sich hinein. »Packen wir’s an!«
Unsicher betrat sie die schummrige Bar, aber auch mit einer gewissen Zuversicht. Schließlich befanden sie sich auf ihrem Heimatboden, Lower Manhattan, nur wenige Blocks nördlich der Wall Street und dem Hauptquartier der Abteilung Datenkriminalität, die dem NYPD untergeordnet war. Sie hatte nicht weit gehen müssen.
Zwei kurze Schritte, um die Türflügel hinter sich zufallen zu lassen, und sie sah sich suchend im Raum um. Er hob eine Hand, als ihr Blick über die Reihe von abgetrennten Sitzgruppen entlang der Seitenwand gegenüber der Theke glitt. Sie winkte nicht zurück, ging jedoch hinüber. Der einzelne, aufgeschwemmte Anzugträger auf einem Hocker am Ende der Bar mit seinem x-ten Martini und keinerlei Freunden musterte sie offen von oben bis unten, als sie an ihm vorüberging. Carl schätzte, dass sie durchaus eines Blickes wert war. Lange Gliedmaßen und gut gebaut unter ihrer Freizeitkluft, was sich in ihrem Gang und ihrer Haltung zeigte. Unter der einen altmodischen Glühbirne, die in der Mitte der Decke herabbaumelte, flammte ihr Haar golden auf, und der Lichtschein fiel kurz auf eine gut aussehende Frau. Sie hatte sich gegenüber dem Foto nicht allzu sehr verändert.
»Amy Westhoff?«
Er erhob sich aus seinem Sitz, als sie seinen Tisch erreichte, und reichte ihr die Hand. Sie nahm sie und musterte ihn forschend.
»Ja. Agent… di Palma, nicht wahr?«
»Stimmt genau.« Er ließ kurz seine UNGLA-ID aufblitzen, hielt sie sorgfältig so, dass sie sein Foto, jedoch nicht den Namen erkennen konnte. Täuschte ein fragendes Stirnrunzeln vor, um sie abzulenken, als er die Karte wieder
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