Skorpion
unfreundlichen Augen entnommen. Es war wie der Blick in eine spätere Ausgabe von Jack Mackenzies älterem Bruder, derjenige, der an seinem sechzehnten Geburtstag zur Armee gegangen und ein Jahr später zurückgekehrt war, sonnenverbrannt und voller Schauergeschichten aus Gegenden, von denen niemand je etwas gehört hatte.
Dennoch hatte er etwa so viel von Noceras Rim-Überlegenheit mit sich herumgetragen, wie er…
Ren ging dazwischen, fast noch bevor Scott begriff, dass er dabei war, sich dem anderen Mann entgegenzustellen.
»Ich sagte, einen Kaffee, Scott. Keine gebrochene Nase.« Sie nickte zur Tür hinüber. »Komm schon! Lass den Wichser doch mit sich selbst spielen!«
»Macht bei weitem mehr Spaß als mit dir, Ren.« Nocera beugte sich an Rens Hüfte vorbei nach vorn, nach wie vor in seinem Sessel, nach wie vor grinsend. »Ich sag dir was, Bubi, ich kenn ihre Sorte in- und auswendig. Bin da gewesen, hab ihnen die Muschi geleckt. Du hast mehr Spaß beim Wichsen.«
Scott schoss mit erhobenen Fäusten heran. Ein frisches Erröten durchfuhr ihn, juckte ihn an den Haarwurzeln und verbrannte ihm die Wangen. Er sah, wie das Grinsen auf Noceras Gesicht entgleiste und durch ein jähes, spekulatives Interesse ersetzt wurde. Ohne Eile schwang er die Stiefel von der Konsole…
Da wusste Scott, dass er ein paar Tritte abbekommen würde, aber Scheiß drauf! Plötzlich wurde er gegen Ren gedrückt. Blitzartig der Duft ihres Haars, immer noch feucht, die Wärme der Haut und die weichen Kurven genau unter seinen Augen, und dann schob sie ihn fest zurück zur Tür. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war nicht gerade freundlich.
»Raus!«, befahl sie so fest wie die Hand auf seiner Brust. »Warte oben auf mich!«
Er ging, stolperte ein wenig, Scham und Erleichterung durchpulsten ihn in etwa gleichem Ausmaß. Die Tür schloss sich hinter ihm, schottete alles, was Nocera vielleicht höhnisch von sich geben mochte, zu einem kaum vernehmbaren Gemurmel ab. Rens ärgerlicher Tonfall trampelte es nieder. Er wollte bleiben und lauschen, aber…
Schweigend lief er den von Glühlampen erhellten metallenen Korridor entlang, dann die klappernden Metallstufen hinauf zu den Büros ganz oben und trat hinaus ins nachmittägliche Sonnenlicht, immer noch gepresst atmend. Er ging zum Geländer einer der Kranbrücken des Hafens hinüber und packte die Stange aus Kohlenstofffaser mit beiden Händen, als ob er sie zerquetschen könnte. Dabei starrte er auf seine weiß gewordenen Knöchel herab.
… verdammter Nocera, verdammte Rim-Arschlöcher, verdammter Ort…
Aber er hatte es gewusst. Ein kleiner, ruhiger Teil seiner Selbst tauchte auf und erinnerte ihn daran. Er hatte immer gewusst, wie es sein würde. Er hatte es gewusst, weil ihm Onkel Jed, der vor seiner Geburt im Rim gewesen war, alles darüber erzählt hatte. Pastor William hatte es ihm ebenfalls gesagt, in ähnlichen Worten, die einen Hauch Höllenfeuer an sich hatten. Seine Mutter hatte geweint und es ihm immer und immer wieder gesagt. Seine Freunde hatten sich lustig gemacht und es ihm gesagt.
Alle hatten es ihm gesagt, weil alle wussten, was man draußen im gottlosen Rim von den Republikanern hielt. Schwere Schufterei und Hass, mehr hätten sie ihm nicht zu bieten. Sie würden ihn ausnutzen, ihn dabei bespucken, und wenn ihn die Teufel von der Immigration nicht erwischten, dann Schulden und die Bandenchefs. Er hätte dort keinerlei Rechte, niemanden, an den er sich wenden könnte. Er wäre ein Nichts, weniger als ein Nichts, einer aus der schweigenden Unterklasse der Dienstboten, die billiger als Maschinen waren und ebenso lautlos zu sein hatten, ebenso effizient und ebenso klaglos alles hinnehmen mussten, ansonsten peng. Der gewöhnliche, hochtechnisierte, viel verlangende Rimbürger würde ihn einfach in den Müll werfen, ihn austauschen gegen etwas, das die Arbeit rascher, billiger, besser erledigte.
Trotzdem würde ich dir nicht sagen, du solltest nicht gehen. Jed, in der letzten Woche, bevor Scott abhaute, neben ihm am Gatterzaun, den Blick auf den Sonnenuntergang gerichtet, der den Himmel über den Bergen verschmierte. Jed wusste es nicht, aber Scott hatte bereits den Vorschuss an den Händler in Bozeman gezahlt. Er sollte kommenden Dienstag im Laster mitfahren. Ich werde dir nicht sagen, du sollst nicht gehen, weil es hier nichts gibt, das besser für dich wäre. Die Menschen hassen den Rim, und dafür gibt es jede Menge Gründe, aber da draußen gibt’s auch
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